Du willst die Pflanzen in der Natur vor der Haustüre kennenlernen? Du willst deine Mahlzeiten mit essbaren Wildpflanzen ergänzen und deshalb die giftigen von den essbaren Arten unterscheiden können?
Nun, dein Problem ist jedoch, dass da draussen irgendwie alles gleich aussieht: Einfach nur irgendwelche «grüne Pflanzen»!
Es ist in der Tat so, dass wenn man beginnt, sich mit Wildpflanzen zu befassen, man von der Vielfalt der Pflanzenwelt erst mal überfordert ist. Hast du dann doch mal eine Pflanze kennengelernt, hast du nach ein paar Monaten alles wieder vergessen. Kommt dir das bekannt vor?
In diesem Blogartikel zeige ich dir, wie du beim Lernen von Pflanzenarten besten vorgehen kannst, um in gehirngerechter Form ein nachhaltiges, praktisches und nutzbares Wissen aufzubauen.
Die Pflanzen da draussen sind eine Welt, die sich mehr als lohnt, entdeckt zu werden!
(Quelle: ©Maria Sbitova - stock.adobe.com)
Inhaltsverzeichnis
Botanik-Wissen und essbare Wildpflanzen
Mit hoher Wahrscheinlichkeit willst du lernen die Pflanzen zu bestimmen, um essbare Wildpflanzen zu sammeln. Dies ist überhaupt die beste Motivation zum Aufbau eines Botanik-Wissens, denn dies gibt dem ganzen Botanik-Thema einen Erlebnisfaktor, regt alle Sinne an und schafft praktische Bezüge. Ausserdem ist es so, dass wenn du wilde Pflanzen konsumieren willst, du auch wirklich genau hinzuschauen musst. Denn wer will schon wegen einer eigentlich vermeidbaren Vergiftung ernsthafte Konsequenzen kriegen?
Die beste Motivation Pflanzen kennenzulernen, ist sie kulinarisch nutzen zu wollen: es regt alle Sinne an, schafft einen Praxisbezug und zwingt dich auch wirklich genau hinzuschauen!
einfaches Andüsten eines selbst gesammelten Wildpflanzen-Mix
Essbare Wildpflanzen zu sammeln ist übrigens ein tolles Hobby! Man ist draussen an der frischen Luft und kommt mit kostenlosen Bio- und Fairtrade-Produkten zurück, ohne dass man sich um den Anbau hätte kümmern müssen. Das Betrachten der Pflanzendetails und das Herumschauen in der Landschaft ist sehr meditativ und lässt Alltagsstress schnell vergessen. Ausserdem kannst du so sehr gut die Natur kennenlernen bzw. sie wird dir immer vertrauter, weil du im scheinbaren Pflanzen-Chaos immer mehr ein System darin siehst.
siehe Artikel: Tipps und Tricks zum Sammeln essbarer Wildpflanzen
Mit der Zeit kannst du die Pflanzenarten automatisch erkennen, sei es beim normalen Spaziergang, der Joggingrunde oder einer Wanderung. Die einzelnen Pflanzen kriegen in deinem Kopf nicht nur Namen, sondern auch Rezepte und immer mehr auch persönliche Erinnerungen. Der ganze Lebenszyklus in der freien Natur (Austrieb, Blüte, Fruchtbildung, Verwelkung,…) wirst du dabei ebenfalls intensiver wahrnehmen.
auch beim Wandern wirst du die Pflanzenwelt intensiver wahrnehmen
(Quelle: ©Maridav- stock.adobe.com)
Pflanzenbestimmung-Apps
Warum aber das Ganze, wenn man doch heutzutage mit einer Smartphone-App praktisch jede Pflanze bestimmen kann? In der Tat, so kann ich aus eigener Erfahrung berichten, weisst z.B. das App «PlantNet» (und diverse weitere Apps die es auf dem Markt gibt) eine sehr hohe Trefferquote auf. Für die definitive Bestimmung rate ich dir aber ausdrücklich davon ab! Die Trefferquote ist bei weitem nicht bei 100% und oft ist sich das App selbst auch nicht ganz sicher und macht mehrere Vorschläge. Wenn du die Pflanze essen willst, vor allem solche, die giftige Doppelgänger haben, kann das deshalb gefährliche Folgen haben.
Ausserdem gibt’s du jede Menge Selbstverantwortung ab. Ja, beim Konsum von Lebensmitteln aus dem Supermarkt oder bei Medikamenten geben wir die Verantwortung auch ab, doch da steckt auch eine ganze Reihe menschlicher Experten, Studien, Vorschriften, kontrollierte Herstellungs- und Lagerbedingungen dahinter. Diese multiple Sicherheitskette ist niemals zu vergleichen mit einem simplen App-Algorithmus.
Lernen tust du dabei ausserdem gar nichts. Hinzu kommt, dass der ganze Erlebnisfaktor und die Naturverbundenheit um Dimensionen höher ist, wenn du die Pflanze selbst bestimmen kannst.
Die Pflanze links ist vom menschlichen Auge einfach und eindeutig bestimmbar, ein giftiges Maiglöckchen (glänzende Blattunterseite, zwei den Stiel leicht umfassenden Blätter). Vom App PlantNet wird es jedoch als essbarer Bärlauch eingestuft. Auch wenn das App aus eigener Erfahrung in 90% der Fälle ein Maiglöckchen korrekt erkennen kann, kann es ernsthafte Konsequenzen haben wenn man sich darauf verlässt!
Sind Pflanzenbestimmungs-Apps also schlecht und zu verteufeln? Nein, auf keinen Fall, im Gegenteil, ich selbst nutzte bis vor kurzem die App PlantNet regelmässig (mittlerweile nutze ich die Enzyklopädie-App «Flora Helvetica», die neu ebenfalls diese Scan-Funktion anbietet). Das App nutze ich zwar nie für das Sammeln von essbaren Wildpflanzen, jedoch oft um neue Pflanzen kennenzulernen. Dazu später im Artikel
Pflanzenbestimmungs-Apps sind wertvolle Tools um neue Pflanzen kennenzulernen. Die sichere Bestimmung, bevor die Pflanze konsumierst, musst du jedoch selbst erledigen!
Informationsquellen
Es gibt zu dem Thema sehr viele gute Bücher, Online-Bibliotheken und Youtube-Videos, die sich gezielt an Laien richten. Dort sind die wichtigsten und häufigsten Wildpflanzen sehr gut beschrieben inkl. Bestimmungsmerkmalen, inwiefern eine Verwechslungsgefahr mit allfällig giftigen Arten besteht, welche Pflanzenteile man verwenden kann und die Rezepte, wie man diese am besten verarbeitet und konsumiert (meist Salat, Tee, Gemüse, Marmelade, Sirup, Likör).
Primäre gute Informationsquellen gibt es mehr als genug
Hier meine Empfehlungen:
Buch: Rudi Beiser: Unsere Essbare Wildpflanzen. Der empfohlene Klassiker schlechthin. Darin sind die wichtigsten essbaren Wildpflanzen Mitteleuropas beschrieben, inkl. einem guten Einführungskapitel.
Buch: Otmar Diez: Unsere essbaren Bäume und Sträucher: Die ideale Ergänzung zum Buch von Rudi Beiser, die sich auf die Bäume und Sträucher konzentriert
Buch: Steffen Guide Fleischhauer, Jürgen Guthmann und Roland Spiegelberger: Essbare Wildpflanzen – 200 Arten bestimmen und verwenden. Dies ist weiterführende Literatur wo mehr Arten als im Buch von Rudi Beiser beschrieben sind. Der Beschreibungsgrad ist jedoch etwas weniger detailliert.
Buch: Steffen Guide Fleischhauer, Jürgen Guthmann und Roland Spiegelberger: Enzyklopädie Essbare Wildpflanzen - 2000 Pflanzen Mitteleuropas. Ab einem bestimmten Level sehr zu empfehlen. Es ist das Standartwerk für die essbaren Wildpflanzen Mitteleuropas. Zu nahezu jeder Pflanze finden man einen Eintrag mit Erkennungsmerkmalen, Hinweisen und Rezepten.
Buch: Manuel Larbig: Mein Wildkräuter-Guide, von Rauke, Rapunzel und anderen schmackhaften Entdeckungen am Wegesrand. Der allgemeine Teil mit Tipps und Tricks zum Sammeln macht einen grossen Teil des Buches aus. Auf Basis wissenschaftlicher Grundlagen erläutert er sowohl Fakten, als auch Mythen zu dem Thema
Flora Helvetica: Es ist das Standartwerk für die Botanik der Schweiz. Es bezieht sich zwar auf die schweizerischen Pflanzenarten, doch diese entsprechen im Weitesten ja auch der allgemeinen Flora Mitteleuropas. Für Fortgeschrittene sehr zu empfehlen. Flora Helvetica gibt es nicht nur in Buchform, sondern auch als App. Der Vorteil des Apps liegt darin, dass du das Smartphone immer dabei hast und dieses nicht so schwer zum herumschleppen ist.
Weiter empfehle ich natürlich Blog-Artikel meiner Homepage. Die wichtigsten Tipps und Trick zum Sammeln essbarer Wildkräuter habe ich im folgenden Blogartikel zusammengetragen:
Weiter beschreibe ich die botanischen Grundlagen, um den Aufbau von Wildpflanzen mit ihren zahlreichen Fachbegriffen zu verstehen:
Aufbau einer Pflanze: Der generelle Aufbau einer Pflanze
sekundäre Pflanzenstoffe: Sekundäre Pflanzenstoffe der Wildpflanzen – Gifte, Farbstoffe, Heilwirkung und Mythos
Pflanzenfamilien: Die wichtigsten Pflanzenfamilien – Ordnung schaffen in der unendlichen Pflanzen-Vielfalt
weitere Artikel gehen bei den einzelnen Pflanzenteilen mehr ins Detail:
Blätter Funktion: Blätter von Wildpflanzen – Eigenschaften und Funktionen
Blätter Bestimmungsmerkmale: Blätter von Wildpflanzen – Bestimmungsmerkmale
Sprossachse und Wachstum: Die Sprossachse von Wildpflanzen
Blüten: Blüten der Wildpflanzen
Früchte: Früchte der Wildpflanzen
Wurzeln: Wurzeln von Wildpflanzen
Mustererkennung trainieren
Der Aufbau eines Botanikwissens ist im Grunde nichts anderes als ein Mustererkennungsprogramm in deinem Kopf aufzubauen. Aus der selektiven Analyse von den bestimmenden Erkennungsmerkmalen (wie z.B. Blattform, Behaarung, Blütenform, etc.) einer Pflanze kann die bekannte Art bestimmt werden.
Unser Gehirn arbeitet jedoch wesentlich komplexer als eine Computer-Software: Es vergleicht, denkt in Zusammenhängen, verknüpft neue mit alten Informationen, ordnet sein, sucht Kausalitäten und auch intensive Erlebnisse spielen eine grosse Rolle. Unter diesem Hintergrund sollte auch der Erwerb von Wildpflanzenwissen «gehirngerecht» erfolgen. Trockene Fakten kann man sich zwar in mühsamer Arbeit «ins Gehirn reindrücken», sind für Letzteres aber unnütz und werden schnell wieder vergessen.
da unser Gehirn keine reine Faktendatenbank ist, sollte auch der Erwerb von Wildfpflanzenwissen «gehirngerecht» erfolgen
Der Schlüssel beim Erlernen von Wissen liegt also primär beim «Verstehen». Das Schöne dabei: Dein Wissen ist nicht nur nachhaltiger, sondern du lernst so auch viel schneller neue Pflanzen kennen (weil du z.B. die entsprechende Pflanzenfamilie oder Gattung kennst). Ausserdem erfährst du dabei viel über die Botanik, die botanische Sprache und über ökologische Zusammenhänge.
Das Bestimmen von Pflanzen erfolgt durch das eigene Mustererkennungsprogramm mit Hilfe der Bestimmungsmerkmale. Hier beim Echten Labkraut (Galium verum) sind es die quirlige Anordnung der lanzettlichen Blätter und die Rispe aus gelben 4-zipfeligen Einzelblüten.
Wann beginne ich Wildpflanzen zu sammeln?
Wildpflanzen sammeln kann man das ganze Jahr durch. Entgegen den Ausführungen im Buch von Rudi Beiser empfehle ich mit dem Wildpflanzensammeln im Frühling oder Sommer zu beginnen. Dann sind die meisten Pflanzenmerkmale (u.a. Blätter und Blüten) gut sichtbar und die Verwendungsmöglichkeiten sind am grössten. Besonders von Frühling bis Frühsommer können die zarten, frischen Blätter der Pflanzen konsumiert werden. Natürlich kann man auch im Herbst mit dem neuen Hobby beginnen. Verwendungsmöglichkeiten sind dann aber eher Samen, Beeren oder Wurzeln.
Goldnessel (Lamium galeopdolon) im Frühling: Die Blüten machen die Bestimmung deutlich einfacher. Auch können dann die noch zarten Blätter für einen Salat verwendet werden.
(Quelle: Darkone, - Eigenes Werk, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=799903)
Mitten im Winter mit «Wildfplanzen sammeln» zu beginnen, ist aber definitiv der falsche Zeitpunkt, da das Angebot und die Bestimmungsmöglichkeiten einfach zu klein sind. Falls du die Zeilen jetzt im Winter liest, musst du jedoch keinesfalls ernüchtert sein: Die Zeit vergeht schnell und in wenigen Wochen ist es bereits wieder Frühling und du wirst ab dann den gesamten Jahreszyklus miterleben. Die Zeit bis die ersten Wildpflanzen spriessen, kannst du z.B. mit dem Studium der botanischen Grundlagen überbrücken. Eine Möglichkeit ist auch, dich jetzt mit weiteren Aspekten der Natur beschäftigen, sowie z.B. den Sternenhimmel kennen zu lernen.
Der Einstieg
Im Buch von Rudi Beiser «Unsere Essbare Wildpflanzen» ist eine gutes Einführungkapitel enthalten, wo kurz und bündig drinsteht, was du alles vorab beim Wildpflanzen sammeln beachten sollst. Dies beginnt mit dem früheren Negativ-Image als «Unkräuter», der Bedeutung der Wildpflanzen in der Menschheitsgeschichte, unserem menschlichen «Sammeltrieb» und was du in Sachen «Giftpflanzen» beachten musst. Schliesslich werden dir auch geeignete Sammelorte sowie die Grundrezepte der verschiedenen Pflanzenbestandteile aufgezeigt. Ebenfalls findest du dort eine paar Skizzen zu den Bestimmungsmerkmalen.
Nachdem du dies (oder auch ein Einführungskapitel eines anderen Buches) gelesen hast, ist es Zeit nach draussen zu gehen. Dabei ist es egal ob Wald, Wiese oder Stadtpark. Schaue dich nun nach den einfachen Wildpflanzen um, von denen du bereits eine Vorahnung hast, wie z.B.:
Brennnessel
Löwenzahn
Gänseblümchen
Bärlauch
Wiesen-Klee
Waldmeister
Fichte
Linde
Brombeere
...
Von Brennnesseln (links) oder Löwenzahn (rechts) dürften die meisten Einsteiger/-innen bereits eine gewisse Vorahnung haben. Dies erleichtert den Einstieg enorm!
(Quelle: Famartin - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=119317510 und Georg Buzin - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=109308898)
Gleiche die Pflanzen mit den Bestimmungsmerkmalen des Einsteiger-Buches ab. Wenn du die Pflanze sicher bestimmen kannst, dann steht dem Sammeln und Konsumieren nichts mehr im Wege.
Lerne diese einfachen Pflanzen kennen, indem du sie immer wieder sammelst (evtl. mit jeweiligem Nachschlagen der Bestimmungsmerkmale) und probiere verschiedene Rezepte aus. Erfreue dich, wenn du die Pflanzen mit der Zeit automatisch erkennen kannst. In dieser Zeit entwickelst du langsam ein Gespür für die Eigenschaften wie Blattstellung (gegenständig, wechselständig,…) der Blattformen und der Blattränder.
Beginne mit Pflanzen von denen du bereits eine ungefähre Vorstellung davon hast (wie z.B. Brennnessel, Löwenzahn,…)
Ein guter Einstieg kann auch eine Wanderung mit einem / einer Kräuterkundigen sein, der / die sich bereits gut auf dem Thema auskennt. Eine Möglichkeit ist auch eine geführte Wildkräuter-Wanderung. Auch ich biete übrigens entsprechende Tageskurs an.
Aufbau von nachhaltigem Wissen
Nachdem du ein gewisses Gespür für die Pflanzenmerkmale bekommen hast, ist es Zeit ein grösseres Botanik-Wissen aufzubauen. Wichtig ist, dass du dir ein nachhaltiges Wissen aufbaust, d.h. Wissen, welches du aus dem Langzeitgedächtnis abrufen kannst. Konzentriere dich am Anfang auf die wichtigsten und häufigsten Wildpflanzen deiner Region. Lerne auch nicht zu viel auf einmal, denn das ist am Ende kontraproduktiv.
Ein profundes Wissen entsteht dabei nur, wenn du dich aktiv und intensiv mit der Materie beschäftigst, d.h. draussen sammeln und üben gehst, dich weiterbildest und neue Rezepte ausprobierst. Über die Jahre entsteht dabei ein wertvolles, profundes Wissen.
Lerne nur die Pflanzen, die in der Umgebung, wo du dich regelmässig aufhältst, vorkommen: Nur so hast du auch einen praktischen Bezug, kannst immer wieder üben und bekommst immer wieder die tolle Befriedigung eine Pflanze von selbst erkennen zu können Am Ende wirst du Experte / Expertin von den Arten werden, die in deinem Sammelgebiet vorkommen!
Wie gehe ich vor beim Kennenlernen einer neuen Pflanze?: Eine neue Pflanze lernst du am besten kennen, wenn du in deiner Region nach draussen gehst und dich nach unbekannten Pflanzen, die häufig vorkommen, herumschaust. Wenn du vor so einer Pflanze stehst, gibt es u.a. drei Möglichkeiten zur Bestimmung:
Variante I - Smartphone-App und dann im Bestimmungs-Buch Nachschlagen: Erst bestimmst du die Pflanze mit dem Smartphone-App deines Vertrauens. Damit kriegst du auf jeden Fall eine gute Fährte, um dich danach genauer mit der Pflanze zu befassen. Danach schlägst du im Bestimmungsbuch nach, ob dieser Treffer auch wirklich zutrifft. Wichtig: Die entscheidende Instanz, welche die Pflanzen bestimmt, ist dein eigenes Wissen anhand der Bestimmungsliteratur und nicht das App!
Variante II - direkt im Buch Nachschlagen: Bei gewissen Büchern (z.B. Rudi Beiser: Unsere Essbare Wildpflanzen) können die Pflanzen nach gewissen Merkmalen (wie z.B. Blattform) nachgeschlagen werden. Falls die Pflanze dort beschrieben ist, wäre das eine elegante Bestimmung ganz ohne technische Hilfsmittel.
Variante III - Bestimmung mit dem Schlüssel von Flora-Helvetica (oder ähnlichem, wie z.B. Rita Lüder – Grundkurs Pflanzenbestimmung): Du bestimmst die Pflanze mit einem botanischen Bestimmungsschlüssel (bei Flora Helvetica auch als App erhältlich). Dies kann einige Zeit in Anspruch lernen und ist auch nicht in jedem Fall erfolgreich. Dabei lernst du jedoch besonders viel, denn es schult das Auge für die Details und den Umgang mit botanischen Begriffen. Wenn die Pflanze noch keine Blüte trägt, wirst du damit jedoch nicht weit sehr kommen, weil deren Eigenschaften oft wichtige Bestimmungsmerkmale sind.
Wenn du das nächste mal vor einer Pflanze einer bereits bestimmten Art stehst, wirst du bereits eine Vorahnung haben. Schlage jeweils im Buch nach den Bestimmungsmerkmalen nach, solange du unsicher bist. Das Wissen wird sich mit der Übung immer mehr verinnerlichen.
Art-Familie-Gattung: Ich empfehle dir, von Beginn weg bei der entsprechenden Art immer auch ihre Gattung und Familie im Kopf zu haben. Denn Pflanzen derselben Gattung oder Familie haben grundlegende Ähnlichkeiten im Aufbau. Bei der Familie Lippenblütler (z.B. Taubnessel, Wald-Ziest, Hohlzahn, Waldminzen, Thymian, Gundermann, Kriechender Günsel, Wiesen-Salbei, Pfefferminze, Zitronenmelisse, kleine Braunelle,…) sind dies z.B. der 4-kantige Stängel, kreuzgegenständig angeordnete Blätter, eine charakteristische Lippenblüte und eine 4-teilige Klausenfrucht. Auch die Inhaltstoffe und die Verwendung ist bei all diesen Arten sehr ähnlich. Kennst du also die Familie, kennst du bereits ein grosser Anteil der Bestimmungsmerkmale der entsprechenden Pflanzenarten. Dasselbe gilt natürlich umgekehrt: Willst du eine noch unbekannte Pflanze bestimmen und siehst die für eine Pflanzenfamilien charakteristischen Merkmale, kannst du deine Suche bereits stark eingrenzen! Weiterere Vorteile sind die Möglichkeiten für Verknüpfungen und einen geistigen Ordnungsrahmen. Je mehr Pflanzen du kennst, desto eher wirst du die Merkmale durcheinanderbringen oder sogar vergessen. Das System Art-Gattung-Familie erlaubt dir dabei in der ganzen Vielfalt eine gewisse Einordnung der Fakten. Mehr über das System der Taxonomie und den wichtigsten Pflanzenfamilien
Wald-Ziest (Stachys sylvatica, links) und Sumpf-Ziest (Stachys palustris, rechts) sind beides Arten der Gattung Zieste (Stachys) und teilen viele gemeinsame Merkmale
(Quelle: Krees - https://atlas.roslin.pl/plant/8019, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=81841575 und Christian Fischer, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2466130)
Assoziationen: Wenn du dich mit den Pflanzen beschäftigst, sollest du nebst dem Art-Gattung-Familien-Schema so viele Assoziationen wie möglich machen. Nur so lernt dein Gehirn die Fakten nachhaltig im Kopf einzuordnen. Dies wären z.B.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten: wie unterscheiden oder ähneln sich Arten, Gattungen und Familien?
Welche Pflanzen am selben Standort?: An welchen Standorten (Magerwiese, Fettwiese, Wald, überdüngte Wegränder, Ruderalflächen, Sumpf,…) kommen welche Pflanzen sehr oft zusammen vor
Geruch: Wie ist der Geruch der Pflanze, bzw. welche Arten riechen ähnlich?
Welchen evolutionären Sinn hat eine entsprechende Eigenschaft einer Art?
Inhaltsstoffe: Welche Inhaltsstoffe charakterisieren die Pflanze?
Inwiefern kann die Pflanze kulinarisch oder technisch verwertet werden?
Persönliche Erlebnisse: Welche Erlebnisse verbindest du mit der Pflanze?
Persönlicher Bezug: Welchen persönlichen Bezug hast du zur Pflanze?
Ähnliche Arten vergleichen: Wie unterscheiden sich die Blätter des Wald-Geissbart (Aruncus dioicus, links, giftig!) von den Blättern der Wald-Engelwurz (Angelica sylvestris, rechts)?
(Quelle: Krzysztof Ziarnek, Kenraiz - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=77139726 und By Jon Mortin - https://www.inaturalist.org/photos/183911016, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=117210671)
Lernübungen: Wichtig ist, dass du regelmässig übst, um dein Wissen zu verinnerlichen. Hierzu gibt es zahlreiche Möglichkeiten wie du dies tun kannst. Wichtig: Reines Auswendiglernen führt nicht zu nachhaltigem Wissen, denn es sind für unser Gehirn nur unnütze Fakten. Stattdessen sind es Übungen, die Verknüpfungen aktivieren, wo du selbst denken musst, welche dich testen oder einfach nur Spass machen.
Achtsames Bestimmen: Schaue dir draussen ein Exemplar einer Art an und versuche dir alle ihre Bestimmungsmerkmale bewusst in Erinnerung zu rufen. Wenn du dir unsicher bist, schlage in Büchern oder eigenen Notizen nach. Nimm auch den Geruch wahr und berühre die Pflanze, so dass du so viele Sinne wie möglich aktivieren kannst.
achtsames Betrachten der Bestimmungsmerkmale einer Pflanze, mit allen Sinnen
(Quelle: ©nuclear_lily- stock.adobe.com)
eigene Notizen machen: Mache dir von den Arten, die du regelmässig antriffst, bzw. sammelst, eigene Notizen über deren Eigenschaften, Verwendungen, Verwechslungen. Es sollte quasi deine persönliche Enzyklopädie sein. Sammle dabei Informationen aus möglichst vielen Quellen. Bedarfsweise kannst du auch eigene Skizzen der Pflanze anfertigen. Deine „persönliche Enzyklopädie“ kannst du entweder "analog" mit einem Notizbuch oder auch digital anfertigen. Ich persönlich erstelle meine Notizen digital. Dies hat den Vorteil, dass ich die Notizen einfach aktualisieren kann, sobald ich neue Informationen zu einer Art aufschnappe. Auch kann ich dabei zahlreiche Fotos reinpacken. Die PDF-Datei habe ich danach auf meinem Smartphone gespeichert.
eigene Notizen anfertigen
Fotos machen und zuhause anschauen: Mache mit deiner Kamera/Smartphone Fotos von den Wildpflanzen die du antriffst. Schiesse die Fotos aus unterschiedlichen Perspektiven und schaue, dass die Bestimmungsmerkmale gut erkennbar sind. So kannst du vor dem Schlafengehen oder an trüben Tagen eine kleiner Rundtour mit deinen Fotos machen und dir so die Bestimmungsmerkmale einprägen.
auf meinem Iphone hat es bekanntlich Unmengen an Pflanzenfotos. Damit kann ich meine Wildpflanzen-Spaziergänge jeweils nachträglich virtuell wiederholen
Herbarium: Das Anlegen eines Herbarium ist der Klassiker bei Erlernen von Pflanzen. Du sammelst Pflanzen draussen und konservierst sie. Dies geschieht, indem du die Pflanzenteile in saugfähiges Papier (z.B. Zeitungen) unter ein Gewicht (z.B. Bücher) stellst. Dabei wird das Wasser im Innern herausgepresst und vom Papier aufgesaugt (alle paar Tage wechseln). Die Pflanzenteile ordnest du nun systematisch ein und betrachtest die jeweils, wenn du gerade Zeit und Lust hast. Im Gegensatz zu den Fotos kannst du beim Herbarium auch deinen Tast- und evtl. Geruchssinn aktivieren.
eigenes Herbarium anfertigen
(Quelle: ©jelena990 - stock.adobe.com)
Lernapp: Ein ebenfalls nützliches Online Tool findet ihr auf planzen-lernen.ch. Ähnlich ist auch die Lernfunktion im App „Feldbotanik“. Dort kannst du das Bestimmen der Pflanzen anhand einer Quizfunktion üben. Die Schwierigkeitsstufen richten sich am Lernstoff der zertifizierten Feldbotanik Kursen aus der Schweiz und Deutschland. Die einfachste Stufe umfasst zwar bereits 200 verschiedene Arten, du kannst jedoch unter "Optionen" das Quiz auf deine persönlich gewünschten Arten, Gattungen oder Familien eingrenzen.
Übung bei pflanzen-lernen.ch (links) und dem App «Feldbotanik» (rechts)
(Quellen: pflanzen-lernen.ch und App «Feldbotanik»)
eigene Karteikarten: Du kannst auch eigene Karteikarten anfertigen, anhand denen du dein Botanik-Wissen üben kannst. Dabei lernst du bereits viel beim Erstellen deiner Karten. Machen kannst du dies z.B. mit dem App Flashcard Deluxe. Baue so viele Bilder wie möglich in deine Karten ein!
Spiele in der Gruppe: Diese machen besonders Spass! Beispiele: Wildpflanzen-Pantomime (jemand macht mit dem Körper eine Geste, die an ein Wildkraut erinnert, welche die anderen erraten müssen), Stadt-Land-Fluss (oder eher Art-Verwendung-Inhaltsstoff etc…), „Tabu“ (jemand beschreibt eine Pflanze, welche die anderen erraten müssen und dabei dürfen bei der Beschreibung gewisse Begriffe, wie z.B. Artnamen, nicht verwendet werden),… Kreiere dabei eigene Spiele.
Wissen weitergeben: Teile dein Botanik-Wissen mit anderen interessierten Menschen in deinen eigenen Worten.
Jahreszyklus: Bei den meisten essbaren Wildpflanzen eignet sich die Verwendung der Blätter nur im jungen Stadium. Unter Umständen sind sie dann aber noch schwierig zu bestimmen, weil wichtige Merkmale, wie die Blüten, noch nicht ausgebildet sind. Wenn du die Pflanze jedoch über den gesamten Vegetationszyklus immer wieder betrachtest, wird dir im nächsten Frühling die Bestimmung nur mit den Blättern viel einfacher fallen (Achtung: bei vielen Doldenblütlern sind die Blätter essbarer Wildpflanzen oft nur schwer von gewissen giftigen Doppelgängern zu unterscheiden!)
Bei der Gemeinen Nachtkerze (Oenothera biennis) ist die Bestimmung nur anhand der Blätter schwierig. Zusammen mit den Blüten ist die Pflanze jedoch nahezu unverwechselbar.
(Quellen: Salicyna - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=64590020 und Dumi - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=92112598)
Botanische Grundlagen: Mit den neuen Pflanzen empfehle ich dir, dich auch ständig in den botanischen Grundlagen weiterzubilden. Denn beim Erlernen der Pflanzen-Arten wirst du immer wieder auf Fachbegriffe stossen. Schlussendlich geben auch erst die botanischen Zusammenhänge der Pflanzenwelt einen Sinn. Versuche auch das Wissen der botanischen Grundlagen draussen anzuwenden, indem du z.B. den Aufbau von Sprossachsen genauer betrachtest oder Blüten / Früchte sezierst.
siehe Artikel zum Aufbau einer Pflanze: Der generelle Aufbau einer Pflanze
siehe Kategorie "Pflanzenanatomie" im Erdflow-Blog
Kurz- und Langtriebe bei der Rotbuche: Achte dich mal drauf!
(Quelle: bearbeitet aus ©ihorhvozdetskiy- stock.adobe.com)
Lernen kostet Energie...gibt aber viel zurück!: Es kann sein, dass du während deines Lernprozesses des Öfteren mal «verwirrt» bist und sich zahlreiche Fragen anhäufen. Solche Phänomene sind völlig normal und gehören zum Lernprozess. In solchen Fällen lohnt es sich dran zu bleiben, neue Quellen zu konsultieren (z.B. ein neues Buch) oder Leute zu fragen, die sich besser damit auskennen. Löst sich dann die Verwirrung auf, dann garantiere ich dir, hast du die Sache anschliessend auch «wirklich» verstanden!
Das Lernen kann durch gehirngerechte Techniken optimiert werden, doch es wird auf jeden Fall Zeit und Energie kosten. Wichtig ist die Leidenschaft zum Thema, der Wille dich weiterbilden zu wollen und die Ausdauer langfristig dranzubleiben. Das Erlernen eines Fachgebietes ist keine «Instant Gratifikation», die es umsonst gibt! Was mit «Scheinwissen» oder «gefährlichem Halbwissen» vielleicht noch gut funktioniert, geht für «echtes nachhaltiges Wissen» so leider nicht.
Lernen braucht Begeisterung, Wille und Ausdauer. Es kostet ausserdem Zeit und Energie. Der Prozess kann zwar optimiert, jedoch nicht abgekürzt werden!
(Quelle: ©Halfpoint- stock.adobe.com)
Pausen: Es wird Zeiten geben, da wirst du dich nicht mit Wildpflanzen beschäftigen, sei es, weil du keine Lust hast, anhaltend schlechtes Wetter herrscht oder es tiefster Winter ist. Das ist gut so, denn nur wenn du mal eine Zeit lang, das heisst Tage, Wochen oder sogar Monate pausiert, kann sich dein Wissen festigen. Wichtig ist, dass du langfristig bei der Sache bleibst.
Gefahr durch Giftpflanzen: Ja, beim Wildpflanzen sammeln und anschliessender kulinarischer Konsumation besteht die Gefahr einer Verwechslung mit Giftpflanzen, die im besten Falle mit etwas Durchfall, im schlimmsten Fall jedoch tödlich enden kann. Dies tönt auf den ersten Blick schockierend, doch das Gute dabei: Wenn du nur Pflanzen konsumierst, die du selbst zu 100% bestimmen kannst wird dir nicht passieren! Nimm die Sache also ernst und übernehme Selbstverantwortung!
Dabei musst du primär die essbaren Wildpflanzen kennen, die du konsumiert, inkl. möglicher Verwechslungen mit Giftpflanzen ähnlicher Eigenschaften (die in den Büchern in der Regel aufgeführt sind). Immer wieder hört man den Satz «du musst unbedingt die Giftpflanzen kennen». Dieses Vorgehen ist jedoch völlig verkehrt herum gedacht und kann ernsthafte Folgen haben! Denn du wirst niemals alle Giftpflanzen da draussen kennen, um bei einer unbekannten Pflanze jegliches Risiko auszuschliessen. Die Giftpflanzen zu kennen ist zwar interessant, doch die Grundlage sollte immer das sichere Bestimmen der Wildpflanzen-Art sein, die du konsumieren willst
Bäume und Sträucher: Ich schreibe bewusst von essbaren Wildpflanzen und nicht von «Wildkräutern». Denn essbar sind nicht nur viele Kräuter, sondern auch Bäume und Sträucher und zwar mehr als du denkst. Deshalb lohnt es sich in der Natur nicht nur auf den Boden sondern auch in die horizontale bzw. noch oben zu schauen. Anders mal bei den Kräutern ist die Anzahl der einheimischen Baumarten sehr überschaubar und verhältnissmässig schnell erlernt.
Quellen
Flora Helvetica für Smartphones und Tablets Version 2.3.1 (2021).
Manuel Larbig (2021) – Mein Wildkräuter-Guide, Von Rauke, Rapunzel und anderen schmackhaften Entdeckungen am Wegesrand, ISBN 978-3-641-26980-7
Otmar Diez (2019) – Unsere essbaren Bäume und Sträucher, 81 Arten sicher bestimmen, Achtsam sammeln, einfach zubereiten, ISBN 978-440-16465-5
Rita Lüder (2004) – Grundkurs Pflanzenbestimmung, Eine Praxisanleitung für Anfänger und Fortgeschrittene, 9. Auflage 2020, ISBN 978-3-494-01844-7
Rita Lüder (2009) – Grundkurs Gehölbestimmung, Eine Praxisanleitung für Anfänger und Fortgeschrittene, 4. Auflage 2022, ISBN 978-3-494-01915-4
Rudi Beiser (2014) – Unsere essbaren Wildpflanzen, Bestimmen, sammeln und zubereiten, ISBN 978-3-440-14514-2.
Steffen Guido Fleischhauer, Jürgen Guthmann und Roland Spiegelberger (2020) – Enzyklopädie Essbare Wildpflanzen, 2000 Pflanzen Mitteleuropas, Bestimmung, Sammeltipps, Inhaltsstoffe, Heilwirkung, Verwendung in der Küche, 12. Auflage, ISBN 978-3-03800-752-4.
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