…die heutige Pflanzenwelt als Erbe einer natürlichen und anthropogenen Naturgeschichte.
In der Natur Mitteleuropas wurde praktisch jeder Quadratmeter irgendwann einmal menschlich beeinflusst, sei die Landschaft noch so grün, schroff und «wild». Auch das was wir heute an (essbaren) Wildpflanzen vorfinden, ist meist Teil einer durch Menschen über viele Generationen geschaffene Kulturlandlandschaft. Diese begünstigt z.B. Pflanzen mit hohem Lichtbedarf (z.B. Gänseblümchen), sowie auch jene, die an nährstoffreiche Standorte (z.B. Grosse Brennnessel) gebunden sind. Ebenso richten sich die im Wald angepflanzten Baumarten grösstenteils an den Bedarf von Brennholz und der Industrie. Schliesslich kommen in Mitteleuropa auch Pflanzenarten vor, die es ohne den menschlichen Einfluss niemals hier hergeschafft hätten (z.B. die Gemeine Nachtkerze).
«Wer also die hiesige Natur verstehen will, wird sich unverweigerlich mit der menschlichen Kulturgeschichte auseinandersetzen müssen»
Nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land finden wir eine durch Menschen beeinflusste Kulturlandschaft vor, egal ob Wiese oder Wald.
Trotz der menschlichen Prägung gibt es aber immer noch so etwas wie natürliche Dynamiken, wo sich Pflanzenart ausbreiten oder verdrängt werden können. Die ursprüngliche europäische Pflanzenwelt ist zwar seit je her stets starken Änderungen unterworfen. Vor ca. 2’500 Jahren hat sie sich aber in einem Bereich eingependelt, wo man davon ausgehen kann, dass sie ohne menschliche Einflüsse heutzutage praktisch identisch aussehen würde.
ohne den menschlichen Einfluss würden in Mitteleuropa unendliche Wälder die Landschaft bedecken (Foto vom Pfälzerwald)
Um diese ursprüngliche, natürliche Vegetation zu verstehen, lohnt sich ebenfalls ein Blick in die Geschichte, genauer gesagt der Florengeschichte. Hast du zum Beispiel gewusst, dass Douglasien, Magnolien oder Mammutbäume, die wir von Nordamerika her kennen, bei uns auch mal heimisch waren und während den Eiszeiten ausgestorben sind?
Genau darum handelt dieser Artikel. Ich zeige dir chronologisch, wie unsere Vegetation durch die Eiszeiten geprägt wurde, wie mit dem Beginn der heutigen Warmzeit die Wiederbesiedelung stattgefunden hat und schliesslich der Mensch als «Schöpfer» stark in die ursprünglich wilde Natur eingegriffen hat.
Inhaltsverzeichnis
Wie kommt man überhaupt zu den Erkenntnissen?
Zuerst will ich aber noch kurz erläutern, wie man den zu florengeschichtlichen Erkenntnissen aus prähistorischen Zeiten gelangt: Man behilft sich der Tatsache, dass Flüsse, Seen, etc. ständig Sedimente ablagern, womit sich über eine längere Zeit Schichten ausbilden. Gräbt oder bohrt man durch solche Ablagerungen hindurch, dann ist das so eine Art Zeitreise, wo man mit zunehmender Tiefe in immer ältere Schichten eindringt. Darin sucht man nun Indizien, die etwas über deren Alter und die damalige Landschaft, Klima, sowie Tier- und Pflanzenwelt aussagen. Florengeschichtlich interessant sind dabei v.a. die Pollen.
In den Torfschichten bleiben Pollen besonders gut erhalten
Quelle: CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=244694
Das Gewebe von Pollen ist sehr resistent und bleibt deshalb auch über längere Zeit erhalten. Wirklich gut konserviert bleiben sie dabei Torf (Moore) und lehmigen Sedimenten (Überflutungs- oder Seebodenablagerungen). In solchen Schichten kann nun aus den darin eingelagerten Pollen, die Pflanzenzusammensetzung der damaligen Umgebung rekonstruiert werden. Durch Untersuchungen verschiedener Schichten von unterschiedlichem Alter kann durch Änderungen im Pollenspektrum auch die damalige Vegetationsentwicklung zurückverfolgt werden.
Die Methode hat natürlich auch einige Unsicherheiten. So sind die Arten, dessen Pollen besonders gute Flugfähigkeiten aufweisen, überdurchschnittlich vertreten. Auch ist die Pollenzusammensetzung in bewaldeten Gebieten (geringere Luftausbreitung) oder Ablagerungen kleiner Seen, stark von der unmittelbar angrenzenden Vegetation beeinflusst und bildet damit nicht die grossräumigen Verhältnisse ab. Diese Aspekte werden aber in den wissenschftlichen Untersuchungen mitberücksichtigt. So werden z.B. für grossräumige Aussagen auch die Ablagerungen grösserer Seen bevorzugt.
die Bestimmung der Pollen im untersuchten Sediment erlaubt Rückschlüsse auf die damaligen Vegetationsverhältnisse
Quelle: Dartmouth College Electron Microscope Facility - Source and public domain notice at Dartmouth College Electron Microscope Facility ([1], [2]), Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=24407
Und das Alter? Bei der Untersuchung von solchen geologischen Ablagerungen muss natürlich das Alter der jeweiligen Schicht bekannt sein um die Erkenntnisse in den richtigen zeitlichen Kontext einordnen zu können. Dazu stehen zahlreiche Methoden zur Verfügung, mit all ihren Vor- und Nachtteilen für unterschiedliche Umstände und Fragestellungen. Eine beliebte Datierungsmethode für die Zeit bis vor ca. 60'000 Jahren ist die C-14 Methode, die auf den radioaktiven Zerfall des Kohlenstoff-Isotopes «14C» basiert. Kohlenstoff-Atome treten vor allem als 12C auf (mit 6 Protonen und 6 Neutronen), doch in den CO2-Molekülen der oberen Atmosphäre wird durch kosmische Strahlung ständig ein gewisser Anteil (ca. 1%) an 14C gebildet (mit 6 Protonen und 8 Neutronen). Diesen nehmen die Pflanzen mit der Photosynthese auf und lagern ihn mit dem daraus gebildeten Zucker als Baustoff ein.
Stirbt die Pflanze, nimmt sie kein neues 14C mehr auf und durch den radioaktiven Zerfall dieses Isotopes nimmt dessen Menge gegenüber dem 12C kontinuierlich ab. Findet man dann in einer geologischen Schicht Pflanzenreste, kann durch die Bestimmung des 14C/12C-Verhältnisses bei der entsprechenden Pflanze der Zeitpunkt dessen Todes bestimmt werden.
Bis zu einem Alter von ca. 8’000 Jahren wird bei aufgefundenen Holzstämmen auch die Dendrochronologie angewandt. Dabei wird die Dicke der einzelnen Jahresringe analysiert. In optimalen Jahren sind diese dicker, in schlechten Jahren dünner. Die Abfolge, bzw. das Muster der Ringdicken repräsentiert dabei den Wetterverlauf im entsprechenden Zeitabschnitt wo der Baum gelebt hat. Dies bedeutet aber auch, dass Bäume derselben Art in einem begrenzten geographischen Raum (mit demselben Wetter), im entsprechenden Zeitabschnitt, jeweils das gleiche Jahresring-Muster ausbilden. Funde können so korreliert werden und so wird über einen längeren Zeitabschnitt Schritt für Schritt ein Referenzmuster konstruiert. Findet man nun ein gut erhaltener Stamm (z.B. einer Eiche), wird dessen Jahresring-Muster mit dem Referenzmuster verglichen so dessen Lebensspanne bestimmt
mit der Dendrochronologie kann das Alter der einzelnen Jahresringe bestimmt werden
Quelle: Stefan Kühn, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3498447
Annahmen über das Alter der Schicht können aber auch ohne direkte Datierung durch die Analyse der Stratigraphie, d.h. des Schichtverlaufes unter Einbezug der Erkenntnisse der regionalen und grossräumigen Sedimentvorkommen getroffen werden.
In der Zeit seit 5’000 Jahren können auch archäologische Funde bei der Datierung mitberücksichtigt werden.
Flora vor den Eiszeiten
Die Pflanzen haben vor ca. 450 Mio. Jahren damit begonnen, das Land zu erobern. Danach hat sich mit der Evolution eine immense Vielfalt an Pflanzenarten, mit unterschiedlichen Formen und Strukturen entwickelt. Diese Entwicklung verlief aber alles andere als linear, sondern war immer wieder von Massenaussterben und Entwicklungsexplosionen geprägt.
Zwischen ca. 65 bis 23 Mio. Jahren vor heute (Paläogen) herrschte in Mitteleuropa ein tropisches Klima, mit ebenso entsprechender Flora. Das Verbreitungsgebiet der Arten, die wir heute in Mitteleuropa finden, lag damals im etwas gemässigteren Norden, d.h. nördlichen Skandinavien, Grönland und Sibirien. Diese nordische Pflanzenwelt wird «arktotertiäre Flora» genannt und ist im Grunde der Grundstock unserer mitteleuropäischen Pflanzenwelt.
Im späteren Paläogen kühlte sich das Klima langsam ab und damit verschwanden in Mitteleuropa die tropischen Wälder. Mitteleuropa wurde nun durch die gemässigte arktotertiäre Flora besiedelt, die sich ja ebenfalls wegen dem kühleren Klima in wärmere Gefilde verbreiteten musste. Eurasien und Amerika, die lange eine gemeinsame Landmasse bildeten, trennten sich voneinander, so dass sich von nun auch die Pflanzen unterschiedlich voneinander entwickelten. So finden wir heute in Europa die Rotbuche (Fagus sylvatica), in Nordamerika jedoch die Amerikanische Buche (Fagus grandifolia). Seither hat ein Austausch mit Nordamerika in den nur noch Vegetation der nördlichen Breiten stattgefunden, wo zwischenzeitlich an der Beringstrasse immer wieder eine Landbrücke bestand. Die Bildung alpiner Hochgebirge wie den Alpen oder Himalaja, dessen Hauptphasen auf diese Zeit zurückgehen, führten zur Entwicklung zahlreicher Gebirgspflanzen.
die Blätter der (europäischen) Rotbuche (Fagus sylvatica) links und der Amerikanischen Buche (Fagus grandifolia) rechts
Quellen: AnRo0002 - Own work, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=62814673 und Famartin - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=92431667
Vor ca. 3 Millionen Jahren (Pliozän) hatte die Erde bereits die heute bekannte Struktur, d.h. mit der Anordnung und Form von Ozeanen und Kontinenten, wie auch den Hochgebirgen. Genauso war auch das Klima Mitteleuropas mit demjenigen von heute vergleichbar. Die Pflanzenwelt entsprach der artenreichen «arktotertiären Flora».
Die allermeisten heute vorkommenden Pflanzenarten existierten damals bereits. Die turbulente Zeit danach war dann weniger von der Bildung neuer Arten, sondern durch das Aussterben von Arten , sowie Änderungen der Verbreitungsareale geprägt.
Vegetationsentwicklung während den Eiszeiten
Vor ca. 2.6 Mio. Jahren begann das Zeitalter des Quartärs, in dem wir uns auch heute noch befinden. Es ist klimatisch sehr turbulent, d.h. geprägt von ca. 100'000 Jahre dauernden Eiszeiten, die jeweils für ca. 10'000 bis 15'000 Jahre durch Warmzeiten (in der wir uns derzeit befinden) unterbrochen werden. Etwa 30 solcher Kaltzeit-Warmzeit-Zyklen wurden bisher (in den Tiefseebohrkernen) nachgewiesen. In Mitteleuropa lag während den Eiszeiten die durchschnittliche Jahrestemperatur jeweils ca. 15 Grad tiefer als während den Warmzeiten (bzw. heute).
Rekonstruktion der Temperaturen aus einem Eisbohrkern der Antarktis. Die letzten Eiszeiten dauerten jeweils ca. 100'000 Jahre und die Warmzeiten dazwischen sind jeweils sehr kurz.
Quelle: bearbeitet aus Fabrice.Lambert - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=47895226
Während den Eiszeiten waren Alpengletscher so mächtig, dass sie weit ins Vorland vorstiessen. Auch die meisten Mittelgebirge dürften immer wieder von Gletschern oder sogar Eiskappen bedeckt worden sein. Im Norden Deutschlands hat sich jeweils der skandinavische Eisschild ausgebreitet und so eine riesige Fläche mit einem dichten Eispanzer bedeckt. Mit der Überdeckung durch Gletscher wurde darunter nicht nur die Pflanzenwelt zerstört, sondern durch deren erosiven Kraft, wurden auch die Böden entfernt. Zwischen den Alpen und dem Skandinavischen Eisschild lag jeweils eine eisfreie Zone mit einem rauen, kontinentalen, kalt-trockenem Klima.
Eisvorstösse während den letzten zwei Eiszeiten
Quelle: Juschki - Eigenes WerkDiese Datei wurde von diesem Werk abgeleitet: Europe topography map.pngerstmals hochgeladen von San Jose, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=39506754
Der Wechsel aus Eiszeiten und Warmzeiten hatte für die Pflanzenwelt ernsthafte Konsequenzen. Mit den Eiszeiten verschob sich jeweils der Lebensraum von Norden nach Süden: Die heute in Mitteleuropa heimischen Pflanzen rückten weiter in den Mittelmeerraum, während arktische Arten von Norden her, bzw. alpine Arten von höheren Gebieten nachrückten. In den eisfreien Gebieten Mitteleuropas herrschte jeweils eine Tundrenvegetation vor. Dessen Leit-Art ist die Silberwurz (Dryas).
Weisse Silberwurz (Dryas octopetala) in Sibirien
Quelle: SiberianJay - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=107645600
Bei der «Flucht nach Süden» stellten die West-Ost orientierten Hochgebirge, wie z.B. die Pyrenäen, Alpen oder Karpaten, für die Pflanzen eigentliche Barrieren dar. Dadurch starben in Europa viele Baumgattungen der arktotertiären Flora aus, wie z.B. Magnolien, Douglasien oder Mammutbäume.
Dies gilt jedoch nicht für Nordamerika, wo die Gebirge Nord-Süd orientiert sind und die südliche Ausbreitung deutlich einfacher war. Dessen Baumflora ist im Vergleich zu Europa deshalb deutlich artenreicher. Das gleich gilt übrigens auch für Ostasien. Wenn jedoch die Gesamtzahl der Arten, d.h. auch die krautigen Pflanzen berücksichtigt werden, welche mit den Turbulenzen der Eiszeiten besser zurechtkamen, dann ist Mitteleuropa trotzdem sehr artenreich.
Die Gattung der Douglasien (links) und der Mangolien (rechts) sind in Europa während den frühen Eiszeiten ausgestorben, doch nicht so in Nordamerika
Quelle: Walter Siegmund - Own work, CC BY 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2989003und Soil-Science.info on Flickr (Dr. David Lindbo of the Department of Soil Science at NC State University) - Flickr, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6077186
Während den Warmzeiten entsprach die Entwicklung der Flora jeweils in etwa den heutigen Verhältnissen, wobei in der späteren Phase in der letzten (Eem) und vorletzten (Holstein) Warmzeiten, im Gegensatz zu heute, keine Dominanz der Rotbuche vorlag. Stattdessen hat die Hainbuche diesen Platz eingenommen. Dies wird damit begründet, dass das Klima damals für eine länger Zeit wärmer gewesen ist als heutzutage.
Flora im Hochglazial
Im Kontext der alpinen Vergletscherung wird die letzte Eiszeit als «Würm-Kaltzeit», bzw. in Verbindung mit dem skandinavischen Eisschilde «Weichsel-Kaltzeit» genannt. Sie begann vor etwa 125'000 Jahren und endete vor ca. 11'600 Jahren. Die tiefsten Temperaturen und somit maximalen Vergletscherungen wurden dabei vor ca. 20'000 Jahren erreicht. Die eisfreien Zonen Mitteleuropas wiesen damals eine baumfreie Tundrensteppen-Vegetation («Mammutsteppe») auf. Die Jahresmitteltemperatur von ca. -1°C, mit einem entsprechend dauerhaft gefroren Boden (Permafrost), verhinderte ein Baumbewuchs. Die Tundrensteppe bestand nicht nur aus Pflanzenarten, die heute in den polaren und alpinen Gebieten vorkommen, sondern wegen der vergleichsweisen warmen Sommermonate, auch aus wärmeliebenden Kräutern und Gräsern. Auch generell kann die Situation nicht mit den rezenten Tundren polarer Gebiete verglichen werden, da die Sonneneinstrahlung in unseren Breiten höher ist und durch Ablagerungen von Flugstaub (Löss) der Boden nährstoffreich war. Dabei etablierte sich auch eine kalorienreiche Flora, von denen sich zahlreiche grossgewachsene Pflanzenfresser, wie Mammuts, Mastodone oder das Wollhaarige Nashorn sehr gut ernähren konnten.
In etwa so dürfte die "Mammutsteppe" von Mitteleuropa ausgesehen haben (wie heute auf dem Ukok-Plateau im Altai)
Quelle: The original uploader was Kobsev at Russian Wikipedia. - Transferred from ru.wikipedia to Commons., CC BY 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2150679
Das ebenfalls eisfreie, jedoch deutliche wärmere Südeuropa, wies eine trockene Steppenvegetation auf, wo in gewissen Regionen auch einzelne Bäume auftraten. In den etwas feuchteren Regionen (v.a. Flusstäler) fanden sich auch Wälder und diese waren damit die Refugien der heutigen mitteleuropäischen Baumarten.
Im südlichen Europa dominierte ebenfalls eine Steppenvegetation, wobei auch einzelne Waldstücke vorkamen
Quelle: Mauricio Antón - from Caitlin Sedwick (1 April 2008). "What Killed the Woolly Mammoth?". PLoS Biology 6 (4): e99. DOI:10.1371/journal.pbio.0060099., CC BY 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11781070
mögliche Vegetationszonen vor ca. 18'000 Jahren in Europa
Quelle: Fährtenleser - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=86378496
Vegetationsentwicklung im Spätglazial
In der Zeit danach, die auch «Spätglazial» genannt wird, begann sich das Klima zu erwärmen und die Gletscher zogen sich entsprechend zurück. In der Tundra siedelten sich zunehmend Straucharten an, wie z.B. Sanddorn, Weiden, Wacholder oder auch Zwerg-Birken. Später entwickelten sich auch erste Kiefer- und Birkenwälder.
Birkenwald
(Quelle: ©kelifamiliy- stock.adobe.com)
Die Erwärmung hatte starke Auswirkungen auf die Tierwelt, vor allem der eiszeitlichen Megafauna. Viele davon starben in dieser Zeit aus, namentlich das Wollnashorn oder der Höhlenlöwe. Andere Arten, wie z.B. der Höhlenbär, sind bereits während der Eiszeit ausgestorben. Das Wollhaarmammut konnte noch eine Weile in den hohen Norden abwandern, starb aber vor 3'700 Jahren ebenfalls aus. Inwieweit die Bejagung durch den Menschen einen Einfluss darauf hatte, wird immer noch kontrovers diskutiert.
Der Prozess der allgemeinen Erwärmung wurde zwischenzeitlich immer wieder von kurzzeitig kälterem Klima unterbrochen, wo sich jeweils wieder eine Strauchtundra etablierte. In solchen Phasen treten in den Ablagerungen besonders oft die Pollen der Weissen Silberwurz (Dryas octopetala) auf, weshalb diese jeweils mit der Endung «Dryaszeit» benannt werden. Eine starke und langanhaltende Abkühlung erfasste Europa dann während der jüngeren Dryaszeit vor 12’700 Jahren, die erst 1000 Jahre später wieder endete. Die Alpengletscher wuchsen dabei wieder stark, erreichten das Vorland jedoch nicht. Im Tiefland wurden die Birken- und Kieferwälder stark aufgelichtet.
In der jüngeren Dryas fand nochmals eine Abkühlung statt,ehe kurz darauf die heutige Warmzeit (Holozän) einsetzte
Quelle: Daniel E. Platt, Marc Haber, Magda Bou Dagher-Kharrat, Bouchra Douaihy, Georges Khazen, Maziar Ashrafian Bonab, Angélique Salloum, Francis Mouzaya, Donata Luiselli, Chris Tyler-Smith, Colin Renfrew, Elizabeth Matisoo-Smith & Pierre A. Zalloua - This file has been extracted from another file, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=79219152
Vegetationsentwicklung im Holozän
Mit dem Ende der jüngeren Dryaszeit vor 11'600 Jahren setzte wiederum eine starke Erwärmung ein. Dabei erhöhte sich die Jahresdurchschnittstemperatur innerhalb von 20-40 Jahren um ca. 6 Grad (siehe Grafik weiter oben). Dieser Temperatursprung markiert auch den Beginn der neuen, heute immer noch andauernden Warmzeit, die «Holozäns» genannt wird.
Die Temperatur regelte sich vor ca. 10'000 Jahren in einem Bereich ein, der ungefähr der heutigen Situation (vor dem Einsetzen der menschlich verursachten Klimaerwärmung) entspricht. Das Klima in Europa blieb zwar weiterhin dynamisch, d.h. mit zwischenzeitlichen Kälteperioden, doch extrem starke Temperaturrückgänge wurden seither keine mehr verzeichnet.
Verlauf der globalen Durchschnittstemperatur während des Holozäns
Quelle: CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1259100
Während des Holozäns zogen sich die Alpengletscher definitiv ins Hochgebirge zurück und auch das skandinavische Eisschild begann definitiv abzuschmelzen. Die Tundra wurde nun definitiv in den hohen Norden verbannt, während in Mitteleuropa die Wiederbewaldung einsetzte. Kälteliebende Arten wanderten sowohl in Richtung Norden, als auch hoch in die Berge. So sind heute die Lebensraum dieser «arkto-alpinen Arten» (z.B. Silberwurz oder Zwergbirke) durch die Tiefländer Mitteleuropas voneinander getrennt
Verbreitungsgebiet der Weissen Silberwurz als typische arkto-alpine Art
Quelle: Ninjatacoshell - North Pole (orthographic projection).svg, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=54982612
Die Vegetationsgeschichtliche Entwicklung wird in verschiedene Zeitabschnitte eingeteilt (siehe Grafik weiter oben):
Präboreal (ca. 11.600 bis 10'700 Jahre vor heute): Mit der Erwärmung breiteten sich die Kiefer- und Birkenwälder wieder aus. Untergeordnet traten auch andere Pionierpflanzen wie die Vogelbeere, Espe oder auch Wacholder-Arten auf. Zunehmend breitete sich auch der Gemeine Hasel aus.
Boreal (ca. 10’700 bis 9’300 Jahre vor heute): Die Temperatur hat Werte erreicht, die mit dem heutigen Klima vergleichbar sind. Der Hasel dominiert nun die Vegetation, aber auch Eiche und Ulme sind weit verbreitet und zahlreiche weitere Baumarten wie Esche, Linde, Ahorn oder Erlen erreichten Mitteleuropa. Mit der Flora, kam auch die Waldfauna nach Mitteleuropa, wo mittlerweile Rehen, Hirschen, Wildschweinen, etc. dominieren. Gleichzeitig wanderte die eiszeitliche Fauna in Richtung Norden (z.B. Renntiere) oder hoch ins Gebirge (z.B. Murmeltiere).
Der Gemeine Hasel dominiert die Vegetation im Boreal
Quelle: Xepheid - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=75057551
Atlantikum (9'300 bis 5'700 Jahre vor heute): Es ist die Zeit eines «Klimaoptimums», mit Temperaturen, die teilweise den heutigen (durch menschliche Klimaerwärmung beeinflussten) Werten oder sogar mehr entsprechen. Die vorherige Dominanz der Pionierpflanzen ist nun vorbei und ein Laubmischwald aus Eiche, Ulmen und Linden dominierte die Landschaft. In den höheren Lagen mischte dabei auch die Fichte, in Auenwäldern die Erlen und Eschen und auf sandigen Böden die Waldkiefer mit. Von Süden her wanderte langsam die Weisstanne ein, dessen Verbreitungsgebiet jedoch auch heute noch nicht bis über Mitteldeutschland hinausreicht.
während des Atlantikums dominierten in Mitteleuropa Eichenmischwälder
(Quelle: ©Aleksander Bolbot- stock.adobe.com)
Subboreal (5'700 bis 2'450 Jahre vor heute): Es kam wieder zu einem leichten Temperaturrückgang. Nun wanderte auch die Rotbuche von Süden her ein und verdrängte zunehmend die bisher dominierenden Eichenmischwälder. Die mittlerweile sesshaft gewordenen und vom Ackerbau lebenden Menschen, führten Rodungen durch, wobei dies nur vergleichsweise winzige Flächen betraf. In den Pollenprofilen ist dieser menschliche Einfluss durch das Auftreten von Getreidepollen und Kulturbegleiter wie dem Weissen Gänsefuss oder dem Breitwegerich aber bereits sichtbar.
Pollen von Kulturbegleiter wie dem Weisse Gänsefuss zeigen ab dem Subboreal zunehmend den menschlichen Einfluss auf die Landschaft durch vereinzelte Rodungen
Quelle: AnRo0002 - Own work, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=60384025
Subatlantikum (2'450 Jahre vor heute bis heute): Die Rotbuche dominierte nun die europäischen Wälder und etwas später erreichte auch Hainbuche Mitteleuropa. Auf natürliche Weise gaben es seither trotz Klimaschwankungen keine grossen Änderungen mehr, so dass man davon ausgeht, dass sich mittlerweile in Europa die natürliche Vegetation des derzeitigen Klimas etabliert hat.
ab dem Subatlantikum ist die Buche die Königin der Wälder
Bevor der Mensch stark in die Vegetation eingegriffen hat, waren die «durchschnittlichen» Standorte, also der grösste Teil der Flächen, von Buchenwäldern bedeckt. Die Rotbuche würde in Deutschland ca. 67% der Fläche ausmachen. Eine Karte mit der potentiellen natürlichen Vegetation Deutschlands findet sich hier.
Mitteleuropa wäre ohne den menschlichen Einfluss von unendlich weiten Urwäldern bedeckt (Foto aus dem Velebit in Kroatien)
In den etwas trockeneren Regionen der Tieflagen (wie z.B. dem Rheingraben), dominierten hingegen Eichen-Buchenwälder oder Eichen-Hainbuchenwälder. An den trocken-sandigen Standorten mischt ausserdem die Waldkiefer mit. An Standorten mit mässig nassen bis nassen Böden dominieren je nach Kalkgehalt des Bodens Moorbirken, Eschen oder Erlen und z.T. auch Stieleichen und die Waldkiefer. Eine besondere Stellung haben v.a. die damals weit verbreiteten Auenwälder («Wälder der Flussauen»). Da in den Flussauen eine starke Dynamik herrscht (Ablagerung und Erosion durch die Fliessgewässer), hat sich gerade dort eine hohe Biodiversität entwickelt und viele dieser Arten besiedeln heute vom Menschen geschaffene Landschaften wie z.B. Waldränder und Wiesen.
Ein ständig nasser Erlenbruchwald. Hier hat die Rotbuche keine Chance!
Quelle: Onychiurus - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=90820534
Die Rotbuche dominierte auch in den erhöhten Lagen, wobei dort auch Weisstannen mitmischen. In der subalpinen Stufe, die in den Voralpen auch die Waldgrenze darstellt, dominierten hingegen die Fichte. Bei der etwas höher gelegenen Waldgrenze der trockenen inneralpinen Täler (z.B. Engadin, Wallis) sind es v.a. Lärchen und Arve. In dessen tieferen Lagen übernimmt übrigens die Waldkiefer die Rolle der Rotbuche.
an der alpinen Waldgrenze der Alpennordseite würde die Fichte auch natürlicherweise dominieren (Bild vom naturnahen Bödmerenwald im Muothatal)
Arve und Lärche dominieren die Waldgrenze der Inneralpinen Trockentäler
Bei den krautigen Pflanzen der Wälder dominieren Arten, die mit den begrenzten Lichtverhältnissen unter dem Kronendach, sowie dem herrschenden Klima mit winterlicher Kälteperiode gut zurechtkommen. Das sind vor allem sommergrüne Pflanzen, dessen winterliche Ruheknospen den Winter unter der schützenden Schneedecke nahe der Erdoberfläche überdauern. Vor allem in den Laubwäldern sind die Frühjahr-Geophyten (wie z.B. der Bärlauch) weit verbreitet. Diese betreiben im Frühling, vor dem Laubaustrieb der Bäume in kurzer Zeit viel Photosynthese, ehe sie sich nach der Blütezeit und Fruchtbildung im Frühsommer wieder in die unterirdischen Speicherorgane zurückziehen. Einjährige Pflanzen, die heute fast 20% der Arten ausmachen, waren sehr selten.
Die "Frühlings-Geophyten", wie z.B. der Bärlauch (Allium ursinum), treten im Frühling vor dem Blattaustrieb der Bäume massenweise am Waldboden auf, ehe sie im Frühsommer bereits wieder verwelken.
(Quelle: ©juhumert - stock.adobe.com)
Vegetationsentwicklung in der Antike
Die natürlichen klimatischen Veränderungen der Eiszeiten haben die Vegetation Mitteleuropas also stark geprägt. Dabei hätten in den letzten 2'500 Jahren vermutlich keine wesentlichen Veränderungen mehr stattgefunden, wenn die menschlichen Eingriffe nicht vorhanden gewesen wären. Der menschliche Einfluss war im Holozän lange Zeit sehr gering und im Grossen und Ganzen nicht nennenswert, bzw. beschränkten sich diese auf die unmittelbare Umgebung der Siedlungen. So war die Landschaft in der Antike noch wild und dicht bewaldet. Nebst den Rodungen für den Ackerbau wurden die Wälder um die Städte und Dörfer jedoch intensiv genutzt. Das Holz wurde als Baustoff, zum Heizen oder zur Fertigung diverser Werkzeuge gebraucht.
Wiesen: Durch Rodungen und Auflichtungen wurden Wiesen geschaffen. Die meisten Arten, welche an der Besiedelung dieser «neuen Steppen» beteiligt sind, sind jedoch nicht eingewandert, sondern stellen einheimische Arten dar. Sie stammen ursprünglich aus anderen Landschaften wie den Auenwäldern, natürlichen Waldlichtungen (nach Absterben eines Baumes), lichten Standorte der Felsen, Schutthalden oder sogar baumfreien Lawinenbahnen im Gebirge. Aus einem Arten-Mix unterschiedlicher Herkunft entstanden so die neuen Pflanzengesellschaften der Wiesen. Zum Teil haben sich diese Pflanzen sogar genetisch leicht an die Bedingungen der Wiese angepasst. Es gelangten auch ein paar Kräuter und Rasenpflanzen nach Mitteleuropa, die ursprünglich in den im Mittelmeerraum oder den Steppengebieten Südosteuropas/Zentralasiens beheimatet sind (mehr dazu im Abschnitt Archäophyten und Neophyten)
Waldränder: Mit der Gliederung von Wald und Wiese wurde durch den Menschen ein anderer Lebensraum immer mehr gefördert: Der Waldrand. Er besteht meist aus lichtbedürftigen Sträuchern und dem äusserlich angrenzenden krautigen Waldsaum. Die Sträucher, die damit gefördert werden, finden solche Bedingungen natürlicherweise nur am Rand von steilen Geländestufen, oberhalb von Felswänden am Uferrand oder den wenigen kleinen Waldlichtungen vor. Die Arten des Waldsaumes haben ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet v.a. in den Flussauen.
Mit den Römern wurden auch neue Baumarten, wie z.B. die Walnuss oder Esskastanie eingeführt. Auch kultivierte Bäume und Sträucher, wie z.B. der Kulturapfel wurden zunehmend angebaut.
Vegetationsentwicklung im Mittelalter
Nun war das Zeitalter der grossen Rodungen angebrochen. Bis ins 14. Jh. nahm die Bevölkerung sehr rasch zu. Damit breitete sich auch die menschlich geprägte «Kulturlandschaft» immer mehr aus. Der Wald verschwand dabei nicht, wurde aber zunehmend kultiviert. Die Waldfläche von damals ist mit der von heute in etwa vergleichbar. Immer mehr wurde auch in die bisher praktisch unbesiedelten Mittelgebirge und Alpentäler vorgestossen.
die Landschaft Mitteleuropas lockerte sich zunehmend auf
(Quelle: ©dirk schuster - stock.adobe.com)
Waldweide / Hutewald: Die Hauptnutzung des «kultivierten» Waldes stellte dabei die Waldweide dar. Die Nutztiere, wie Rinder, Pferde, Ziegen und Schafe wurden dabei zur Weide in die Wälder getrieben. Dessen Futter stellten v.a. die Blätter der Bäume dar. Die Waldweide hat auf die Vegetation einen vielseitigen Einfluss:
Auflichtung des Waldes: Weil vor allem junge Bäume gefressen werden (dessen Laubbewuchs vom Vieh am besten erreicht wird) und so die Lücken abgestorbener Bäume nicht mehr geschlossen werden, findet mit der Zeit eine Auflichtung des Waldes zu einer «Park-artigen Landschaft» statt.
Es können sich lichtbedürftige Gräser und Kräuter ansiedeln. Diese stellen jedoch selbst Tieffutter dar und werden regelmässig abgemäht. Dies begünstigt v.a. regenerationsfreudige Arten wie z.B. diverse Gräser.
Selektion durch das Vieh: Arten, die vom Vieh nicht bevorzugt gefressen oder sogar gemieden werden, sind im Vorteil und breiten sich somit stärker aus. Bei den Bäumen sind das vor allem die Arten mit eher unangenehm riechenden Blättern (Fichte, Kiefer, Grauerle, Eichen,…). Bei den Sträuchern sind es vor allem Wacholder (spitzige Nadeln), Schlehe (scharfe Sprossdornen), Heuchechel oder Ginster. Auch bei den Kräutern sind Dornen und Stacheln unbeliebt und so werden Kratzdisteln, Ringsdisteln, Gänsedisteln gerne verschmäht und so in der Landschaft gefördert. Dies gilt ebenso für die harten, giftigen (Roter Fingerhut,…) und unangenehm riechenden Kräuter (Minzen, Thymian,…). Je weniger Futter zur Verfügung steht, desto geringer ist die Selektion, weil das Vieh dann gezwungen wird, auch die weniger beliebte Kost zu fressen.
Die offenen Flächen begünstigen die Bodenerosion und die Nährstoffauswaschung im Boden, die Folge sind eine Verringerung des Nährstoffgehaltes und eine zunehmende Versauerung der Böden.
Waldweide
(Quelle: ©Eddie - stock.adobe.com)
Auflichtung eines Waldes durch Waldweide
Quelle: Sten Porse - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7676927
Typische Wacholderheide: Ebenso ein Ergebnis aus der Selektion durch das Vieh. Wegen den spitzen Nadeln ist der Wacholder als Futterpflanze unbeliebt.
Quelle: Dr. Eugen Lehle - Eigenes Werk – http://eugen-lehle.de, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5127350
Nebst der Waldweide wurden für den Winter Triebe der Bäume abgeschnitten («Schneiteln»), getrocknet und dann als Winterfutter genutzt. Die lateinischen Namen gewisser Baumarten weisen sogar auf diese ehemalige Nutzung hin (Esche > Fraxinus > frangere > brechen; Hainbuche > Carpinus > carpere > rupfen). Immer mehr wurde auch das am Boden liegende Laub gesammelt und zur Fütterung des Stallvieh eingesetzt. Damit wurden dem Wald Nährstoffe entzogen.
Niederwald: Eine verbreitete Form der Waldbewirtschaftung war auch der Niederwald. Dieser besteht vorwiegend aus jungen Bäumen und Büschen bis maximal 10m Höhe. Solche kleinen Bäume konnten einfacher gefällt werden und auch dessen Regenerationszeit war mit ca. 10 bis 30 Jahren sehr kurz. Dabei wurden Arten, die sich rasch regenerieren können gefördert, wie z.B. Eichen oder Hainbuchen (sowie auch Linden, Ahorn, Eschen, Hasel, etc.). Die weniger regenerationsfähige Rotbuche wurde dabei unterdrückt. Für den Niederwald gar nicht geeignet waren die Nadelbäume. Die Niederwälder mussten übrigens vom Vieh geschützt werden, wozu Wälle, Gräben oder Zäune erstellt wurden. Da beim Niederwald sehr viel Biomasse entfernt wurde, führte dies zu starken Nährstoffverlusten im Boden. Die regelmässigen Kahlschläge führte am Boden auch zu einer Förderung der lichtbedürftigen Kräuter.
im Niederwald
Quelle: Nigel Chadwick, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14313333
Ebenfalls verbreitet war der Mittelwald. Dieser unterscheidet sich vom Niederwald dadurch, dass dieser auch einzelne höhere Bäume beinhaltet. Diese dienten u.a. as Bauholz. Eichen waren auch beliebt, weil im Herbst mit deren Früchten (Eicheln) die Schweine gefüttert werden konnten.
Ackerbau: Der Ackerbau auf den Freiflächen hatte einen grossen Einfluss bei der Besiedlung lichtbedürftiger Gräser und Kräuter, die ursprünglich aus den Steppen Südosteuropas und Zentralasien stammen. Denn diese begleiteten die Äcker als Unkräuter, bzw. waren mit der Dreifelderwirtschaft auch Teil des Fruchtfolge-Zyklus. So wurde während der «Brache» der natürliche Bewuchs zugelassen, bzw. als Weide für das Vieh genutzt. Um das Vieh und die Wildtiere von den eigentlichen Äckern fernzuhalten wurden zahlreiche Straucharten als Hecken gepflanzt. Da heute Elektrozaun und Stacheldraht diese Funktionen übernehmen, wurden viele dieser Hecken wieder zerstört.
Hecken wurden übrigens auch zur Holz- und Laubfutter-Gewinnung genutzt, da sie ja sowieso regelmässig zurückgeschnitten werden mussten.
(Quelle: ©Glen - stock.adobe.com)
Futterwiesen: Freiflächen wurden (bzw. werden) nicht nur zum Ackerbau, sondern auch als Futterwiesen genutzt. Durch das Mähen dieser Wiesen wird Futter für das Vieh gewonnen. Von einer Viehweide unterscheidet sie sich, dass keine Selektion durch das Vieh stattfindet. Stattdessen findet durch das regelmässige Abmähen eine Förderung von Arten statt, die sich rasch regenerieren und schnell in die Höhe wachsen können. Durch die regelmässige Entnahme von Biomasse findet im Boden ein Nährstoffentzug statt.
Vegetationsentwicklung in der Neuzeit
Im 19. Jahrhundert wurde schliesslich der Tiefpunkt der Bewaldung erreicht. Grosse Mengen an Brennholz wurden für die die Metallverhüttung und Glasproduktion gebraucht. Mit einer immer wieder auftretenden Holzknappheit stieg aber auch das Bewusstsein, dass die natürlichen Ressourcen begrenzt sind. Gleichzeitig nahm die Nachfrage an Brennholz auch wegen der zunehmenden Nutzung von Kohle ab.
Es wurden nun teils grossflächige Wiederaufforstungen in Gang gesetzt. Seither nahm die Waldfläche wieder zu (in der Schweiz um ca. 30-40%). Immer mehr kam auch die Bewirtschaftungsform des Plenterwaldes hinzu. In diesem finden sich Bäume aller möglichen Alters und verschiedener Arten. Dabei werden jeweils die älteren Einzelbäume gefällt, ohne dass es zu einer Kahlfläche kommt, d.h. der Wald verjüngt sich eigentlich kontinuierlich, was am ehesten den natürlichen Walddynamik entspricht. In der Schweiz oder auch Deutschland ist heutzutage ca. ein Drittel der Fläche von Wald bedeckt.
Plenterwald
Die Fichte, die natürlicherweise nur in den erhöhten Lagen vorkommt, wurde dabei im Tiefland sehr stark gefördert und es wurden grosse Monokulturen angelegt. In Deutschland und der Schweiz ist die Fichte heute die häufigste Baumart. Dies wegen ihrem raschen Wachstum und der guten Holzqualität. Die Monokulturen begünstigen jedoch auch grossflächigen Borkenkäferbefall.
Fichten-Monokultur im Thüringer Wald
Flächen mit starkem Borkenkäfer-Befall im Nationalpark Harz
Als hervorragendes Brennholz ist auch die Rotbuche in den Forsten stark vertreten. An den eher trockenen und nährstoffarmen Standorten wird v.a. auf die Waldkiefer gesetzt. Gerade in Deutschland wurden auch Baumarten aus Nordamerika, wie die Douglasie oder die Robinie eingeführt und kultiviert.
Wirkliche Urwälder, also Wälder, die nie durch den Menschen sichtbar beeinflusst worden sind, gibt es in Deutschland keine mehr. Das gleiche gilt auch für die Schweiz und Österreich, wobei noch ganz kleine Relikte existieren (wie z.B. der Bödmerenwald oder das Wildnisgebiet Dürrenstein. Grössere Urwaldgebiete finden sich hingegen in den Karpaten oder auf dem Balkan.
im Wildnisgebiet Dürrenstein findet man tatsächlich noch einen vom Menschen unangetasteten Wald
Quelle: Christoph Leditznig - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=43748816
Kahlschläge: Dort wo zur Holzernte Kahlschläge durchgeführt werden, dringt nach den Fällung auf einen Schlag viel Licht auf den Boden, wodurch sich eine Lichtungsflur ausbildet. Natürlicherweise gäbe es kleine Waldlichtungen nur, wenn Bäume absterben. Die schlagartig erhöhte Sonneneinstrahlung führt zu einer Erwärmung des Bodens und dies oft (nicht immer!) zu einer schnelleren Humuszersetzung, was wiederum Stickstoff mobilisiert, womit sich 1-jährige, stickstoffbedürftige Kräuter und Gräser ansiedeln (bzw. dessen über Jahre im Wald liegenden Samen beginnen durch das Licht zu keimen). Kurze Zeit später werden diese Flächen von dichtem Brombeerenbewuchs überwuchert und von Pioniergehölzen wie z.B. der Vogelbeere, Birken, etc. besiedelt. Die neu angepflanzten Baumarten (Fichte, Rotbuche, etc.) übernehmen erst nach ein paar Jahren das Zepter. In der Schweiz sind Kahlschläge übrigens verboten und werden nur in Ausnahmefällen (z.B. nach Sturmerreignissen) bewilligt.
Moderner Landbau: Grosse Veränderungen fanden auch auf den als Ackerbau und Futterwiesen genutzten Flächen statt. Diverse neue optimierte Felderwirtschaften hielten Einzug und lösten die Dreifelderwirtschaft zugunsten des «modernen Landbaus» ab. Damit werden u.a. Kleearten angebaut, die sowohl hochwertiges Futter, als auch eine Gründüngung des Bodens bewirken. Ausserdem wurden neue Kulturpflanzen aus Nord- und Südamerika, wie z.B. die Kartoffel, in die Fruchtfolge eingebaut.
Viehweiden: In den wachsenden Städten nahm dabei die Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten ständig zu. Trotzdem ging in den etwas trockeneren Regionen die Bedeutung der traditionellen Viehweiden stark zurück. Das Vieh wurde stattdessen in den Ställen gefüttert. Der gegenteiligen Trend war jedoch in den nordalpinen Regionen der Fall, wo der Ackerbau immer mehr der Rindviehhaltung wich. So wurde in der Schweiz die Kuh immer mehr zum nationalen Symbol und Käse, Milchschokolade und Co. zum Exportschlager. Bei der Standweide wird das Vieh auf der Weide auf einer begrenzten Fläche eingezäunt. Wie bei der Waldweide findet auch hier eine Art-Selektion durch das Vieh statt, was die Ausbreitung der typischen Weide-Unkräuter (z.B. Sauerampfer) fördert. Der Nährstoffentzug ist jedoch vergleichsweise gering. Ein typisches Phänomen sind dabei die Geilstellen, d.h. Stellen mit Kuhfladen, die beim Weiden gemieden werden und das Gras somit üppiger wächst. Bei der Umtriebsweide wird jeweils nur ein Teilbereich der Weide vom Vieh genutzt. Erst wenn jeweils die gesamte Vegetation abgefressen wird, wird es in den nächsten Teilverschoben. Damit werden die Weideunkräuter eher gefressen und die Fläche kann sich jeweils für mehrere Wochen erholen.
ein typisch schweizerisches Bild: Viehweide
(Quelle: ©Fredy Thürig - stock.adobe.com)
Eine starke Intensivierung erreichte die Landwirtschaft durch die Entwicklung von Dünger und Pestiziden, womit der Flächenertrag enorm stieg und sich die Bewirtschaftungsform der Monokultur etablieren konnte. Paradoxerweise muss aber im Gegensatz zu früher vielmehr Energie in die Lebensmittelproduktion gesteckt werden. So muss pro erzeugte Kalorien ein Vielfaches an Energie (Betrieb der Landmaschinen, Düngerproduktion, Transport, etc. ) hineingesteckt werden.
Die moderne Zivilisation führte, nebst der intensiven Landwirtschaft, auch zu zahlreichen weiteren einschneidenden Veränderungen in der Natur:
Eutrophierung: Während die Böden lange Zeit von Nährstoffentzug geprägt waren, setzte sowohl mit dem Einsatz synthetischer Düngemittel, dem Ausbreiten von Gülle, als auch durch Verkehr und Industrie ausgestossene Stickoxide, eine weitreichende Nährstoffanreicherung ein. Diese betrifft nicht nur Äcker und Wiesen, die gezielt gedüngt wurden, sondern durch die Verbreitung mit dem Wind auch extensiv bewirtschaftete, naturbelassene Flächen wie bzw. Wälder. Der Einfluss nimmt aber generell mit zunehmender Distanz der Quellen (Äcker, stark befahrene Strassen, Industrie, Metropolen) ab. Dieser Fakt steht übrigens im Gegensatz zum weitverbreiteten Irrglauben der sogenannten «ausgelaugten Böden», der von gewissen esoterischen Kreisen gerne verbreitet wird. Mit der Eutrophierung werden stickstoffbedürftige Pflanzen gefördert. So finden sich heute an halbschattigen Weg- und Waldrändern Arten wie die Grosse Brennessel, Knoblauchsrauke, Kletten-Labkraut, Giersch, Kerbel-Arten, Ruprechtskraut, Wald-Ziest, Nelkenwurz. Sie alle würden wir dort ohne die menschliche Eutrophierung nicht oder nur in sehr geringem Masse antreffen. Mit der Eutrophierung wurde übrigens auch die allgemeine Produktivität der Vegetation gesteigert (Pflanzen wachsen schneller).
ohne Eutrophierung wäre die Verbreitung der Grossen Brennnessel stark eingeschränkt
(Quelle: Kritzolina - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=32370431)
Bodenversauerung: Die Emission von Stickoxiden oder Schwefeldioxiden führt im Regenwasser zu einer Verringerung des pH-Wertes und damit auch im Boden zu einem Säureeintrag. Die Versauerung des Bodens (die ein natürlicher Prozess darstellt) wird dabei beschleunigt.
Entwässerung und Abbau der Moore / Auenwälder: Zahlreiche Moore wurden entwässert und zu landwirtschaftlichen Flächen überführt. In der Vergangenheit war auch der Torfabbau zu Brennstoffzwecken beliebt, was vielfach zu derer Zerstörung führte. Auch wurden viele Auenwälder zerstört, indem die Flüsse begradigt wurden und diese Flächen anschliessenden in Ackerland umgewandelt wurden.
Erhöhte Wildbestände: Durch die Ausrottung der Grossraubtiere (Wolf, Bär, etc. ) haben sich die Wildbestände von Rehen, Hirschen und co. um ein Vielfaches erhöht. Dies bedingt zwangsläufig ein erhöhter Verzehr und somit ein Zurückdrängen von Jungpflanzen bevorzugter Arten wie z.B. der Weisstanne. Bei Neupflanzungen werden Jungbäume deshalb eingezäunt oder durch Matten geschützt.
Luftschadstoffe: Zahlreiche durch menschliche Tätigkeit (Verkehr, Industrie) direkt ausgestossene oder indirekt gebildete Schadstoffe, wie Stickoxide, Schwefeldioxid oder Ozon führen als Giftstoffe bei den Pflanzen zu Schäden. Durch diverse Massnahmen sind die Belastungen jedoch geringer als noch vor 30-40 Jahren.
Chemische Belastung des Bodens: Abgase enthalten nicht nur schädliche Gase, sondern auch Staubpartikel mit Schwermetallen (wie z.B. Blei), die mit dem Wind auch über weitere Strecken transportiert werden und sich im Boden ablagern. Dort werden sie dann auch von den Pflanzen aufgenommen. Da Pflanzen jedoch verhältnismässig gut damit umgehen können, ist dessen Einfluss auf die Vegetation im Allgemeinen eher gering. Dies gilt jedoch nicht für die unmittelbare Umgebung stark befahrener Strassen. Durch diverse Massahmen (z.B. Verbot von Benzin mit Bleizusatz) hat auch hier die Immission abgenommen. Wegen der geringen Abbaubarkeit von Schwermetallen verbleiben frühere Akkumulationen jedoch noch lange Zeit in den Böden.
Neophyten: siehe Abschnitt Archäophyten und Neophyten
Artensterben: Trotz der ständigen Einbürgerung durh Neophyten findet generell ein Artensterben statt, was vor allem mit der Zersiedelung und der intensiven Landwirtschaft zu tun hat. Dabei handelt es sich vor allem um Arten den Offenlandes und Stickstoffarmutszeiger.
Immer mehr wird auch der menschengemachte Klimawandel relevant. Bereits heute ist ein früheres Austreiben der Laubbäume um ca. einer Woche (im Vergleich vor 50 Jahren) und eine Erhöhung der Waldgrenze zu beobachten. Immer mehr werden sich auch wärmeliebende Arten hier etablieren. Insbesondere die Fichte gerät in den tieferen Lagen wegen ihrer Hitze- und Dürreanfälligkeit stark unter Druck. In der Forstwirtschaft wird deshalb mittlerweile vermehrt auf Laubmischwälder gesetzt.
Es kränkt zwar unser Ego, doch eigentlich gilt: Die Natur braucht den Menschen nicht! immer mehr gibt es auch Projekte mit Reservaten, wo der Wald wieder sich selbst überlassen wird, wie z.B. beim Sihlwald (am Stadtrand von Zürich)
Umstrittene Megaherbivorenhypothese
Dieser Begriff tritt immer wieder im Zusammenhang mit ökologischen Fragestellungen auf. Deshalb will ich dieses Thema hier kurz anschneiden.
Hat die Landschaft Mitteleuropa etwas so ausgesehen? Im Naturentwicklungsgebiet Oostvaardersplassen wird die natürliche Entwicklung des Waldes durch gezielte Beweidung verhindert und dies mit der Megaherbivorentheorie begründet
Quelle: Peter Galvin - https://www.flickr.com/photos/p_x_g/6158985649/, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=20639788
Nach den Anhängern der Megaherbivorenhypothese sollen die grossen Pflanzenfresser im Holozän einen grossen Einfluss auf Vegetationsbedeckung ausgeübt haben, d.h. den Baumbewuchs durch Frass so stark zurückgedrängt haben, dass die natürliche Vegetation Mitteleuropas aus einer Savannen-ähnlichen Landschaft bestanden hätte. Als Analogie werden die rezenten Savannenlandschaften Afrikas erwähnt, wo unter anderem Grosssäuger wie Elefanten zu einem grossen Anteil an der Auflichtung und Zurückdrängung der ansonsten vorkommenden Trockenwälder beteiligt sind. In Europa seien es nun stattdessen die Wisente, Auerochsen, Wildpferde, Rehe und Hirsche gewesen, welche die Wiederbesiedelung des Waldes nach der Eiszeit verhinderten. Nebst der Analogie mit den rezenten Savannen, werden folgende Argumente herangezogen:
In einer Baum-Graslandschaft, die stark durch Weidetiere genutzt wird, werden nur sehr wenige Graspollen verbreitet (durch das ständige Abfressen wird das Erblühen verhindert), bzw. gelangen nur zu einem geringen Teil in die Seeablagerungen, so dass in den untersuchten Sedimentschichten deren Anteil gegenüber den Baumpollen unterschätzt wird.
Bis ins Subboreal ist der Anteil der Haselpollen in den Ablagerungen sehr hoch. Diese kämen jedoch nicht in ausgedehnten geschlossenen Wäldern vor, sondern zeugten von halboffenen Landschaften.
Die Dominanz der Eiche im Atlantikum wird der Tatsache zugeschrieben, dass diese gegenüber anderen Arten eine gute Regenerationsfähigkeit besitzt (ähnlich wie in den Hutewäldern des Mittelalters).
In gewissen Gebieten Amerikas und Australiens wurde eine Veränderung der Vegetation nach der Ausrottung von grösseren Pflanzenfressern beobachtet.
Andere Anhänger der Theorie gehen zwar ab einem gewissen Zeitpunkt von einem dichten Wald aus, doch dieser sei nur möglich gewesen, weil der Mensch durch Bejagung die Bestände an Wisente, Auerochsen, Hirsche und Co. stark dezimiert hätte.
Kann die Situation aus der Savannen Afrikas auch auf die Mitteleuropäischen Länder übertragen werden? Wohl kaum!
Quelle: Charles J. Sharp - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=30032866
Es wird teils auch mit dem ausgestorbene Waldnashorn oder dem Europäischen Waldelefant argumentiert. Diese waren in der letzten Warmzeit vor 115'000 Jahren in Mitteleuropa heimisch, starben aber während der Eiszeit im Refugium des Mittelmeerraumes aus. Falls es stimmen würde, dass dafür die eiszeitlichen Jäger und Sammler verantwortlich sind, müsste in der Rekonstruktion der potentiellen natürlichen Vegetation von heute auch deren möglichen Einfluss (falls sie hypothetisch nicht ausgerottet und heute noch durch die Wälder streifen würden) mitberücksichtigt werden.
Waldnashorn (links) und Europäischer Waldelefant (rechts)
Quellen: DiBgd - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=70453735 (links) und DFoidl - Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18804346 (rechts)
Im Naturschutz hätte die Megaherbivorenhypothese einen erheblichen Einfluss, weil damit die Weidewirtschaft definitiv ökologisch legitimiert werden kann. So sollen Kühe, Schafe und Ziegen den Ersatz für die ausgestorbene Megafauna darstellen.
Das grosse ABER: Die Megaherbivorenhypothese ist in wissenschaftlichen Kreisen sehr umstritten und steht im Wiederspruch zum etablierten Wissen der Geobotanik, das aufgrund der vorhandenen Evidenzen von ausgedehnten Urwäldern ausgeht, wo die wenigen offenen Flächen vor allem durch menschliche Rodungen entstanden sind. So können die Savannenlandschaften Afrikas nicht mit den Verhältnissen in Mitteleuropa verglichen werden. Hierzulande reguliert der Winter mit dem begrenzten Nahrungsangebot die Bestände sehr stark und der Einfluss von Grossraubtieren auf die Dezimierung des Herbivoren-Bestandes ist hier viel grösser. Auch wenn gewisse Kritikpunkte bei den Pollenanalysen zutreffen, fehlen doch die Evidenzen einer offenen Landschaft im Holozän.
Ebenso gibt es auch keine Evidenzen für offene Landschaften während der letzten Warmzeit. Ausserdem leben Waldelefanten und Waldnashorn wie es der Name sagt im Wald. Die Waldelefanten dürften ausserdem, wie die ähnlich aussehenden rezenten Elefanten der Regenwälder, keine Lichtungen schaffen können.
Nichts desto trotz ist es grundsätzlich zu begrüssen, dass auch etabliertes Wissen ständig der kritischen Überprüfungen unterzogen wird. Ein Paradigmenwechsel in der Naturwissenschaft muss jedoch evidenzbasiert erfolgen!
Archäophyten und Neophyten
Durch die Wanderbewegungen der Menschen haben sich in der freien Natur zahlreiche Pflanzenarten angesiedelt, die durch einen rein natürlichen Einfluss nicht hier auftreten würden. Diejenigen davon, die vor dem Jahr 1492 (d.h. vor der Entdeckung Amerikas) hier her gelangten nennt man Archäophyten. Die jüngeren bezeichnet man entsprechend als Neophyten. Archäo- und Neophyten sind vor allem in der (kurzlebigen) Ruderalvegetation verbreitet.
Bei den Archäophyten stammen die meisten Arten aus Westasien und dem Mittelmeerraum. Sie gelangten im Zuge der Ausbreitung der Landwirtschaft vom Orient her nach Europa. Später war es die Besatzung der Römer, bzw. der Handel innerhalb des Römischen Reichen das Zugpferd. In dieser Zeit gelangten z.B. der Klatsch-Mohn oder die Echte Kamille nach Mitteleuropa. Dabei spielte nicht nur gezielte Einführung (für den Anbau in der Landwirtschaft oder Gärten), sondern auch verunreinigtes Saatgut und Schlammablagerungen auf den Transportmitteln eine grosse Rolle.
die Echte Kamille ist ein Archäophyt
Quelle: JanRehschuh - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=20375741
Bei den Neophyten kommt zusätzlich der Austausch mit Nordamerika ins Spiel. Ausserdem hat seither der Welthandel nochmal so richtig Fahrt aufgenommen und die Neophyten sind dann einfach eine logische Folge der Globalisierung. Auch heute nimmt die Anzahl der Neophyten in Europa Jahr für Jahr zu! In der Schweiz gelten im Jahre 2022 ca. 730 Arten als Neophyten.
Auch wenn oft so verstanden, steckt im Wort "Neophyt" keine Wertung drin, sondern es handelt sich um eine rein florengeschichtliche Bezeichnung («neue Pflanze»), die z.B. den Ursprung einer Art in Europa verdeutlicht. Die allermeisten Neophyten sind im Naturschutz auch überhaupt nicht umstritten, sondern werden sogar als Bereicherung gesehen! Wir alle (auch Naturschützer/-innen) freuen uns z.B. über die Gemeinen Nachtkerze oder dem Persischen Ehrenpreis. Anders sieht es jedoch mit den sogenannten «invasiven Neophyten» aus.
Niemand hat etwas gegen die Gemeine Nachtkerze! Dies gilt jedoch nicht für die Pflanze im Hintergrund (Einjähriges Berufskraut), die ein Invasiver Neophyt darstellt!
Invasive Neophyten: Also solche werden Neophyten bezeichnet, die auf die bestehenden heimischen Arten einen starken Konkurrenzdruck ausüben. Damit können sie sich rasch ausbreiten und grosse Fläche besiedeln und grosse Auswirkungen aufs Ökosystem haben. Es handelt sich innerhalb der Neophyten aber eindeutig um eine Minderheit, d.h. in der Schweiz sind von den Neophyten nur etwa über 10% «invasiv» oder «potentiell invasiv». Einen guten Überblick mit vielen Infos über Neophyten und invasive Neophyten in der Schweiz finden sich in der BAFU-Bröschüre «Gebietsfremde Arten in der Schweiz».
ein invasiver Neophyt: Japanischer Staudenknöterich (übrigens in einem Naturschutzgebiet ausgenommen :-))
Quellen
Heinz Ellenberg und Christoph Leuschner (2010) – Vegetation Mitteleuropas und den Alpen, in ökologischer, dynamischer und historischer Sicht, 6. vollständig neu bearbeitete und stark erweiterte Auflage von Christoph Leuschner, ISBN 978-3-8252-8104-5
Jon Mathieu, Norman Backhaus, Katja Hürlimann und Matthias Bürgi (2016) – Geschichte der Landschaft in der Schweiz, Von der Eiszeit bis zur Gegenwart, Orell Füssli Verlag AG, ISBN 978-3-280-05601-1
Jürgen Ehlers (2011) – Das Eiszeitalter, ISBN 978-3-8274-2326-9
Norbert Bartsch und Ernst Röhrig (2016) – Waldökologie, Einführung für Mitteleuropa, 1. Auflage, ISBN 978-3-622-44267-8
Martin Meschede (2015) – Geologie Deutschlands, Ein prozessorientierter Ansatz, ISBn 978-3-662-45298-1
Wolfgang Frey und Rainer Lösch (2010) - Geobotanik, 3. Auflage, ISBN 978-3-8274-2335-1
https://de.wikipedia.org/wiki/Präboreal
https://de.wikipedia.org/wiki/Boreal_(Klimastufe)
https://de.wikipedia.org/wiki/Atlantikum
https://de.wikipedia.org/wiki/Subboreal
https://de.wikipedia.org/wiki/Wald_in_Deutschland
https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Waldes_in_Mitteleuropa
https://de.wikipedia.org/wiki/Hutewald
https://de.wikipedia.org/wiki/Hecke
https://de.wikipedia.org/wiki/Weidewirtschaft
https://de.wikipedia.org/wiki/Mammutsteppe
https://www.lwf.bayern.de/mam/cms04/service/dateien/w27_grosstiere_als_landschaftsgestalter_gesamtheft.pdf#50
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