Schachtelhalm-Arten (Equisetum)
Familie: Schachtelhalmgewächse (Equisetaceae), Gattung: Schachtelhalm (Equisetum)
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Acker Schachtelhalm (Equisetum arvense), Sumpf Schachtelhalm (Equisetum palustre), Riesen Schachtelhalm (Equisetum telmateia), Wald-Schachtelhalm (Equisetum sylvaticum), Winter Schachtelhalm (Equisetum hyemale), Teich Schachtelhalm (Equisetum fluviatile)
Riesen-Schachtelhalm (Equisetum telmateia), ein lebendes Fossil
Quelle: Cultureel Gelderland - Own work, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=119187643
Die Schachtelhalme umfassen weltweit 20 Arten. Davon sind in Mitteleuropa ca. 10 heimisch. Man kann Schachtelhalme auch als «lebende Fossile» bezeichnen. Die Schachtelhalmgewächse (Equisetaceae) gehören wie die Echten Farne zu den früheren Gefässsporenpflanzen, die bereits im Devon, vor ca. 400 Mio Jahren, das Festland eroberten. Dies war lange bevor die heute dominanten Blütenpflanzen überhaupt existierten. Es entwickelte sich bei den Schachtelhalmen eine artenreiche Flora, die unter anderem auch Bäume umfasste. In den Steinkohlewäldern des Karbons (vor ca. 350 Mio Jahren) waren die Schachtelhalm-Bäume sogar sehr dominant. Heutzutage sind jedoch mittlerweile die allermeisten Gattungen und Arten ausgestorben. Das einzige Überbleibsel stellt die Gattung Equisetum dar.
Aufbau und Lebenszyklus der Schachtelhalme ist etwas gewöhnungsbedürftig, denn diese weichen etwas von den uns bekannten Blütenpflanzen ab. So besteht der Spross vor allem aus der Sprossachse. Sowohl Haupt-, als auch die Seitenachsen scheinen dabei Teleskop-artig ineinander verschachtelt (Name!) zu sein. Die Seitenachsen verzweigen sich jeweils in einem Quirl an den Knotenpunkten. Ebenfalls an den Knotenpunkten in quirlständiger Anordnung finden sich «Zähne». Dabei handelt es sich um die Blätter. Diese betreiben jedoch keine Photosynthese. Die Sprossachse bildet im Untergrund Rhizome, mit denen sich die Pflanzen durch die Bildung von Ausläufern vegetativ vermehren können.
Spross des Acker-Schachtelhalms (Equiseum arvense)
Quelle: Joanna Boisse - https://atlas.roslin.pl/plant/6935, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=81812025
eine Herde aus dem Riesen-Schachtelhalm (Equisetum telmateia). Dieser kann sich über die unterirdischen Rhizome rasch vegetativ vermehren.
Blüten werden keine gebildet, denn dieser Mechanismus existierte damals vor 400 Mio. Jahren noch nicht. Eine generative Vermehrung findet jedoch trotzdem statt und zwar über die Bildung von «Sporen» (siehe untere Grafik). Dabei handelt es sich um teilungsfähige Zellen mit einem einfachen (statt wie üblich doppelten) Chromosomensatz («haploid»). Sie werden durch Meiose in den Sporangien gebildet. Mehrere Sporangien bilden dabei zusammen eine zapfenförmige Struktur, auch «Sporenkolben» genannt. Letzterer befindet sich entweder am Ende des Hauptsprosses oder am Ende von separaten Nebensprossen. Die reifen Sporen werden von dort aus mit dem Wind fortgeblasen. Später entwickelt sich daraus durch Zellteilung ein kleiner haploider, mehrzelliger Organismus (Gametophyt, in diesem Fall auch «Prothallus» genannt). Diese Gametophyten bilden wiederum durch einfache Zellteilung (Mitose) die Spermien und Eizellen. Die Spermien werden mit dem (Regen-)Wasser ausgewaschen und verbreitet. Gelangen sie so zu den Eizellen eines anderen «Prothallus», können Letztere befruchtet werden und es bildet sich eine neue Schachtelhalmpflanze (mehr dazu im Blog-Artikel "Die Evolution der Pflanzen")
Lebenszyklus eines Schachtelhalmes (links) und Sporenkolben (rechts)
Quelle: bearbeitet aus ©Kazakova Maryia- stock.adobe.com (links) und Reaperman - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5232194 (rechts)
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Schachtelhalme bauen in ihrem Stützgewebe nicht wie üblich Lignin, sondern Kieselsäure (ca. 10%) ein. Dabei werden ausgewachsene Exemplare so hart, dass sie als Bürsten oder zum Schleifen von Messerklingen genutzt werden können. Weil Schachtelhalbe deshalb früher zur Reinigung von Zinngeschirr verwendet wurden, existiert auch das Synonym «Zinnkraut».
Nun zum Kulinarischen: Von den hier behandelten Arten sind der Sumpf-Schachtelhalm (Equisetum palustre) und der Teich-Schachtelhalm (Equisetum fluviatile) giftig. Eine genaue Bestimmung ist deshalb unerlässlich! Auch der Riesen-Schachtelhalm (Equisetum telmateia) gilt als «giftverdächtig» und sollte wenn, dann nur gekocht (mit mehrfachem Auswechseln des Kochwassers) und nur in geringen Mengen konsumiert werden. Über eine allfällige Giftigkeit oder Unbedenklichkeit des Wald-Schachtelhalms (Equisetum sylvaticum) habe ich leider keine seriösen Informationen gefunden.
Acker-Schachtelhalm (Equisetum arvense) und Winter-Schachtelhalm (Equisetum hyemale) können jedoch sorglos verzehrt werden. Dabei können ganz junge Sprossachsen im Frühjahr roh (z.B. im Salat) oder als Gemüse verwendet werden. Am besten werden sie dazu fein gehackt. Sie sind jedoch rasch zu hart, können aber noch gut für einen Tee genutzt werden. Die Sporenkolben können roh oder gekocht verzehrt werden, sind allerdings im Geschmack eher bitter. Ebenfalls roh oder gekocht zu verwenden, sind die Rhizome im Herbst/Winter.
Der Acker-Schachtelhalm (Equisetum arvense) wirkt leicht harntreibend (aufgrund der enthaltenen Flavonoide und Kaffeesäurederivate). Ein Tee (aus den getrockneten Sprossachsen) kann deshalb zur Behandlung von Harnwegserkrankungen wie z.B. Blasenentzündungen eingesetzt werden. Ausserdem kann bei schlecht heilenden Wunden ein Umschlag nützlich sein. Dies weil die enthaltene Kieselsäure ähnlich wie Gerbstoffe adstringierend wirkt.
Tee aus dem Acker-Schachtelhalm wirkt harntreibend
Quelle: ©Madeleine Steinbach- stock.adobe.com
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Die zahlreichen weiteren gesundheitlichen Zuschreibungen in der Volksmedizin sind mit Vorsicht zu geniessen. Es gibt keine gesicherten Hinweise, dass die Aufnahme von zusätzlicher Kieselsäure einen gesundheitsfördernden Effekt (z.B. auf die Knochen) hat! Den sehr geringen Bedarf des Körpers nehmen wir dabei problemlos über das Trinkwasser / Nahrung auf. Wenn du also gesunde Knochen haben willst, dann hilft besser sportliche Betätigung und eine genügende Aufnahme von Calcium.
Nun zur Bestimmung: Bei der Bestimmung ist vor allem der Blick auf die Anzahl und Länge der Zähne, die Anzahl Rippen im Stängel, der Stängelquerschnitt, sowie die Form und Lage des Sporenkolbens wichtig. Die Bestimmungsmerkmale der bei uns häufigsten Schachtelhalm-Arten sind im Folgenden aufgelistet:
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Acker-Schachtelhalm (Equisetum arvense) – ungiftig / essbar
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pro Knoten ca. 8 bis 10 Zähne, diese kürzer als die 1. Abschnitte (Internodien) der Seitenachsen
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Hauptachse 3-5 mm dick, mit ca. 6-20 Rippen, Zentralhöhle macht im Querschnitt ca. 20-30% aus, viele kleine Seitenhöhlen
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Seitenachsen meist 4-kantig (z.T. auch 3- oder 5-kantig), selbst unverzweigt
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Sporenkolben bräunlich, aus separatem Spross («fertiler Spross») ohne Seitenachsen, treibt im März vor dem «sterilen Spross» aus und «blüht» bis Mai
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Vorkommen auf wechselfeuchten Ruderalflächen, Wegränder, Ufer
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Quellen: zusammengesetzt und bearbeitet aus AnRo0002 - Own work, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=79184761 (Spross), Stefan.lefnaer - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=66131468 (Knoten), Stefan.lefnaer - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=66131462 (Querschnitt) und Michel Langeveld - https://www.inaturalist.org/photos/118292470, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=102822439 (Sporenkolben)
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Winter-Schachtelhalm (Equisetum hyemale) – ungiftig / essbar
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pro Knoten ca. 15-25 Zähne
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Hauptachse dunkelgrün, überwinternd, ohne Seitenäste, Zentralhöhle macht im Querschnitt bis 80% aus
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endständiger, kurzer (ca. 1cm langer) Sporenkolben, «blüht» Mai bis Juli
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Vorkommen in Auenwälder oder vernässten Stellen von lichten Wäldern
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tritt in Herden auf
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Quellen: zusammengesetzt und bearbeitet aus KENPEI - KENPEI's photo, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1998027 (Spross), OpenCage - OpenCage, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=537632 (Sporenkolben), Stefan.lefnaer - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=125780052 (Knoten) und Stefan.lefnaer - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=125780045 (Querschnitt)
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Sumpf-Schachtelhalm (Equisetum palustre) – giftig!
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pro Knoten ca. 5 bis 8 schwarze Zähne, diese länger als die 1. Abschnitte (Internodien) der Seitenachsen, an der Verzweigung der Seitenachsen ein dunkler Ring
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Hauptachse dünn (1-3.5 mm dick), mit nur wenigen, jedoch tiefen Rippen, Zentralhöhle macht im Querschnitt ca. 10-30% aus, Seitenhöhlen etwa gleich gross
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Seitenachsen meist 5 bis 6-kantig, selbst unverzweigt
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endständiger, kleiner (2-3cm langer) Sporenkolben, «blüht» Juni bis September
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Vorkommen auf nassen Wiesen, Gräben und Flachmooren
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tritt sowohl einzeln, als auch in Herden auf
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Quellen: zusammengesetzt und bearbeitet aus Petr Filippov - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7075289 (Spross), Stefan.lefnaer - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=64371193 (Knoten), Stefan.lefnaer - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=64371187 (Querschnitt) und Petr Filippov - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7075185 (Sporenkolben)
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Riesen-Schachtelhalm (Equisetum telmateia) – wahrscheinlich giftig!
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pro Knoten ca. 20-40 dünne, längliche, schwarze Zähne, an der Verzweigung der Seitenachsen jeweils ein dunkler Ring
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Hauptachse bis 1.5cm dick, sehr viele feine Rippen, hellgrün bis weiss, bis 1m hoch, Zentralhöhle macht im Querschnitt ca. 50-75 % aus
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Sporenkolben bräunlich, aus separatem Spross («fertiler Spross») ohne Seitenachsen (im Gegensatz zum Acker-Schachtelhalm viel mehr Zähne und dickerer Stängel!), treibt im März vor dem «sterilen Spross» aus und «blüht» bis Mai.
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Seitenachsen vielkantig, selbst unverzweigt
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Vorkommen an nassen Stellen von Wäldern, Auenwälder, Quellen
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tritt in Herden auf
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Quellen: zusammengesetzt und bearbeitet aus J.F. Gaffard Jeffdelonge at fr.wikipedia - photo by Jeffdelonge, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1673298 (Spross), MurielBendel - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=44043134 (Knoten) , Stefan.lefnaer - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=123197701 (Querschnitt) und Dietrich Krieger - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14975132 (Sporenkolben)
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Teich-/Schlamm Schachtelhalm (Equisetum fluviatile) – giftig!
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pro Knoten ca. 10-20 schwarze Zähne
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Hauptachse 2-5mm dick, ca. 10-20 Rippen, bis 120cm hoch, Zentralhöhle macht im Querschnitt bis zu 90% aus
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nur wenige Seitenachsen, diese meist 5 bis 6-kantig und selbst unverzweigt
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endständiger, kurzer (ca. 1-2cm langer) und stumpfer Sporenkolben, «blüht» Mai bis Juli
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Vorkommen im Verlandungsbereich von Gewässer, in wassergefüllte Gräben, Bruchwälder, in Teichen
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tritt sowohl einzeln, als auch in kleinen Herden auf
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Quellen: zusammengesetzt und bearbeitet aus Christian Fischer, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7046615 (Spross) und Dariusz Kowalczyk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=74649893 (Knoten)
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Wald-Schachtelhalm (Equisetum sylvaticum) – keine Informationen über Giftigkeit / Unbedenklichkeit
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Zähne in Gruppen zusammengewachsen, Knotenpunkte glockenförmig verdickt
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Hauptachse 2-5mm dick, ca. 10-20 Rippen, bis 80cm hoch, Zentralhöhle macht im Querschnitt ca. 25-60% aus
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Seitenachsen sehr fein und x-förmig, bogig herabhängend
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endständiger Sporenkolben, fertile Triebe (solche die am Ende einen Sporenkolben enthalten) beim Austrieb erst braun und ohne Seitenachsen, ergrünen dann aber später. «blüht» April/Mai
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Vorkommen auf wechselfeuchten, kalkarmen Fettwiesen, Bergwiesen, Waldränder, Wälder, Mooren
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tritt sowohl einzeln, als auch in kleinen Herden auf
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Quellen: zusammengesetzt und bearbeitet aus Robert Flogaus-Faust - Own work, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=106148517 (Spross), Rosa-Maria Rinkl - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=79262214 (Sporenkolben) und Stefan.lefnaer - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=64370079 (Knoten)
​Quellen
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Dietrich Frohne (2021) – Heilpflanzenlexikon, Ein Leitfaden auf wissenschaftlicher Grundlage, 9. durchgelesene Auflage 2021, ISBN 987-3-8047-4200-0 (E-Book)
Dr. Jörg Grünwald und Christof Jänicke (2004) – Grüne Apotheke, das Standartwerk zur Pflanzenheilkunde, 3. Auflage 2021, ISBN 978-3-8338-4541-3
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Flora Helvetica für Smartphones und Tablets Version 2.3.1 (2021)
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Lars Konarek (2017) – BUSHCRAFT, Survivalwissen Wildpflanzen Europas, e-ISBN 978-3-7020-2002-6
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Rita Lüder (2018) – Grundlagen der Feldbotanik, Familien und Gattungen einheimischer Pflanzen, 2. Auflage 2022, ISBN 978-3-258-08262-2
Steffen Guido Fleischhauer, Jürgen Guthmann und Roland Spiegelberger (2020) – Enzyklopädie Essbare Wildpflanzen, 2000 Pflanzen Mitteleuropas, Bestimmung, Sammeltipps, Inhaltsstoffe, Heilwirkung, Verwendung in der Küche, 12. Auflage, ISBN 978-3-03800-752-4.
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https://de.wikipedia.org/wiki/Schachtelhalme
https://de.wikipedia.org/wiki/Acker-Schachtelhalm
https://de.wikipedia.org/wiki/Winter-Schachtelhalm
https://de.wikipedia.org/wiki/Sumpf-Schachtelhalm
https://de.wikipedia.org/wiki/Riesen-Schachtelhalm